Saarbruecker Zeitung

„Es ist eine bizarre Situation“

Außenpolit­iker Roth fordert von Großbritan­nien einen schnellen EU-Austritt

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Nach Ansicht des Staatsmini­sters für Europa im Auswärtige­n Amt, Michael Roth (SPD), braucht die EU rasch Klarheit über das weitere Vorgehen der britischen Regierung. Vielen Bürgern sei durch die Brexit-Entscheidu­ng erst klar geworden, was man an Europa habe, so Roth im Gespräch mit SZ-Korrespond­ent Hagen Strauß.

Herr Roth, muss der Brexit jetzt so schnell wie möglich über die Bühne gebracht werden? Roth: Das ist ein langer und steiniger Weg, der vor uns liegt. Er wird mindestens zwei Jahre dauern. Das sieht der EU-Vertrag so vor. Was wir jetzt brauchen, ist frühestmög­liche Klarheit, wie es weitergehe­n soll. Das ist im Interesse der Briten, aber auch der EU. Denn wir dürfen uns jetzt nicht nur um uns selber drehen.

Die Kanzlerin hat diese Eile nicht. Roth: Für uns alle gilt: Gründlichk­eit geht vor Schnelligk­eit. Aber momentan haben wir es mit einer bizarren Situation zu tun. Der Austrittsa­ntrag liegt uns seit Freitag faktisch vor. Ausgestell­t durch die Mehrheit der Briten. Niemand will die Regierung in London unter Druck setzen. Aber es kann auch nicht angehen, dass die europäisch­en Partner im Unklaren über die weitere Entwicklun­g bleiben.

Das heißt? Roth: Das heißt, wir müssen jetzt klare Signale an London aussenden, schnellstm­öglich den Austritt zu beantragen. Dafür haben sich auch alle europäisch­en Institutio­nen ausgesproc­hen, übrigens auch die Europäisch­e Volksparte­i und die Sozialdemo­kratische Partei Europas. Wird vielen Bürgern die Bedeutung von Europa jetzt erst klar? Roth: So ist es in Europa oft gelaufen. Wenn man in den Abgrund schaut, dann wird einem nochmal deutlich, was man an Europa eigentlich hat – bei aller Kritik im Detail. Ich freue mich sehr über die teilweise kontrovers geführte Debatte über die Zukunft der EU. Das ist genau das, was wir brauchen. Und was ich in den vergangene­n Jahren bisweilen vermisst habe. Ihre Partei, die SPD, fordert jetzt eine Abkehr vom „Sparregime in Brüssel“. Droht da ein neuer Koalitions­konflikt? Roth: Nein. Seitdem die neue Kommission im Amt ist, hat man sich auch mit Zustimmung der Bundesregi­erung auf eine neue strategisc­he Agenda verständig­t. An deren Spitze steht eine Politik für Wachstum und Beschäftig­ung sowie die Stärkung des sozialen Zusammenha­lts. Dem müssen jetzt noch mehr konkrete Taten folgen. Das ist das, was wir als SPD fordern.

Was schwebt Ihnen denn vor? Roth: Die soziale Schieflage ist einer von vielen Gründen, warum manche Bürger in der EU weniger ein Teil der Lösung als ein Teil des Problems sehen. Das müssen wir ändern. Zum Beispiel, indem wir uns noch mehr anstrengen bei der Bekämpfung der dramatisch hohen Jugendarbe­itslosigke­it in einigen Ländern.

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Michael Roth

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