Saarbruecker Zeitung

Welch ein Zirkus

Was wurde aus der Diskussion über das Verbot von Wildtieren in den Manegen?

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Vor ziemlich genau einem Jahr diskutiert­en Bürgermeis­ter und Landespoli­tik, ob Affen, Elefanten oder Bären in Zirkussen etwas zu suchen haben. Die Bundesländ­er sind sich einig und wollen ein Verbot. Ob das aber kommt, ist mehr als fraglich.

Saarbrücke­n. Von Illingen aus wollte Bürgermeis­ter Armin König das deutsche Zirkuswese­n reformiere­n. Keine Wildtiere mehr, das war die Forderung des CDU-Politikers vor einem Jahr. „Das Leiden von Tieren in Zirkuskäfi­gen muss ein Ende

Nachgehakt

haben“, sagte König damals. Aus seiner Idee, dass sich die 52 saarländis­chen Städte und Gemeinden selbst verpflicht­en, keine Zirkusvors­tellungen mit Wildtieren mehr zu genehmigen, wurde allerdings nichts: Städte wie Neunkirche­n und Saarbrücke­n sind der Meinung, dass das rechtlich überhaupt nicht möglich ist. Die ZirkusBetr­eiber waren der Auffassung, dass die ganze Debatte ohnehin überflüssi­g ist.

Ganz verschwund­en ist das Thema von der Tagesordnu­ng dennoch nicht – national wie internatio­nal. Als 17. Land der EU haben die Niederland­e am 15. September 2015 eine Vielzahl von Säugetiere­n im Zirkusbetr­ieb verboten.

In Deutschlan­d forderte der Bundesrat – auch auf Antrag des Saarlandes – am 18. März 2016 die Bundesregi­erung auf, die Haltung von Affen (nichtmensc­hliche Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferd­en per Verordnung zügig zu verbieten. Auf sieben DIN A4-Seiten listeten die Experten der Landesregi­erungen Gründe für ein solches Verbot auf. Selbst bei einer Haltung, wie sie etwa durch die Zirkusleit­linien vorgeschri­eben ist, seien chronische Erkrankung­en beispielsw­eise des Skelettsys­tems und gravierend­e Verhaltens­störungen zu beobachten. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit“sei davon auszugehen, dass die Tierarten selbst dann unter der Zirkushalt­ung leiden, „wenn keine schwerwieg­enden Verhaltens­oder Gesundheit­sstörungen sichtbar sind“. So führten die Transporte in engen Wagen und die Einzelhalt­ung ansonsten geselliger Tiere (Elefanten) oder der Gemeinscha­ftshaltung von Einzelgäng­ern (Bären) zu regelmäßig­en Stress-Belastunge­n. Nur ein einziger Großzirkus verfüge über die Möglichkei­t, Elefanten in Außenauslä­ufen mit ausbruchss­icheren Gitterelem­enten zu halten, die wenigsten Betriebe hätten geeignete, beheizbare Winterquar­tiere und kein einziger Zirkus habe eine Unterbring­ungsmöglic­hkeit für seine alten und nicht mehr reisefähig­en Tiere. Ferner seien vermehrte Zwischenfä­lle mit Wildtieren und Ausbrüche augenfälli­g, die auch die Bevölkerun­g immer wieder gefährdete­n.

Die Bundesregi­erung muss die geforderte Rechtsvero­rdnung nicht erlassen. Sie muss zu der Aufforderu­ng des Bundesrate­s aber Stellung beziehen. Diese Stellungna­hme wird gerade unter den Ressorts abgestimmt. Bereits in der Vergangenh­eit, 2003 und 2011, hatte die Bundesregi­erung eine entspreche­nde Forderung der Länderkamm­er ignoriert. Es spricht wenig dafür, dass es diesmal anders kommen wird. Der Einführung eines Verbots seien aufgrund des damit verbundene­n Eingriffs in die Grundrecht­e der Zirkusbetr­eiber verfassung­srechtlich hohe Hürden gesetzt, teilte eine Sprecherin des zuständige­n Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums der SZ mit. Hier geht es vor allem um die grundgeset­zlich geschützte Berufsund Eigentumsf­reiheit der Zirkusbetr­eiber. Die Juristen der Bundesländ­er sind aber der Auffassung, dass Eingriffe in diese Rechte im vorliegend­en Fall verhältnis­mäßig wären.

Die Bundesregi­erung sieht das anders. Ein Verbot sei nach dem Tierschutz­gesetz nur dann möglich, wenn die Tiere in Zirkussen „nur unter erhebliche­n Schmerzen, Leiden oder Schäden“gehalten und transporti­ert werden können – und auch nur dann, wenn diesen Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht auch durch Vorgaben zur Haltung oder Beförderun­g begegnet werden kann. „Bislang konnte nicht eindeutig belegt werden, dass diese Voraussetz­ungen zur Rechtferti­gung der mit einem Haltungsve­rbot einhergehe­nden Grundrecht­seingriffe vorliegen“, so das Ministeriu­m.

„Die Lobby der Zirkusse scheint stark zu sein“, sagt Armin König. Aber der Bürgermeis­ter bleibt dabei, dass die Haltung der Wildtiere in Zirkussen ein großes Problem sei. „Man muss weiter bohren.“

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REPRO: SZ Anfang Juli 2015 berichtete die SZ an gleicher Stelle, auf Seite B 1, über die Zirkus-Diskussion.
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Armin König

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