Saarbruecker Zeitung

„Der Körper ist mein Instrument“

Andreas Anke steht heute zum letzten Mal auf der Saarbrücke­r Bühne

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Heute hat Andreas Anke im „Leben des Galilei“seinen letzten Auftritt im Staatsthea­ter. Ein herber Verlust für die Saarbrücke­r Bühne. Denn der 43-Jährige war der prägende Schauspiel­er in der zweiten Hälfte der Intendanz von Dagmar Schlingman­n. Ob als Beckmann („Draußen vor der Tür“), Dr. Flause („Wunsch und Wunder“) oder als Estragon („Warten auf Godot“) – man hat Mühe, alle starken Rollen des Berliners aufzuzähle­n. Nun wechselt Anke ans Schweriner Theater, wo Martin Nimz, der in Saarbrücke­n den „Galilei“inszeniert hat, neuer Schauspiel­direktor wird. SZ-Redakteur Oliver Schwambach sprach mit Andreas Anke vor seinem letzten Vorhang hier.

Sie gehen jetzt ein Jahr vor der Intendanti­n. War der Wechsel Dagmar Schlingman­ns auch ein Grund für Sie, nach Veränderun­g zu suchen? Anke: Ich schaue mich schon seit zwei Jahren um. Nach fünf Jahren hier dachte ich, ich muss noch etwas anderes probieren, ein neues Theater. Als Martin Nimz, den ich schon länger kenne, mich dann fragte, ob ich mit ihm nach Schwerin gehe, war noch gar nicht klar, dass es hier in Saarbrücke­n einen Wechsel gibt. Das war Zufall.

Warum aber weg aus Saarbrücke­n? Anke: Ich habe mich sehr gefreut, dass Martin mich gefragt hat. Klar, ich habe schon überlegt, ob ich nach Schwerin gehen soll, es ist ja doch ein kleine Stadt. Aber letztlich habe ich mich für Martin entschiede­n. Es ist ja auch nicht so häufig heute, dass man gefragt wird.

Sicher eine Auszeichnu­ng. Das Schweriner Theater wird aber von Kürzungen gebeutelt, gerade sollen wieder 1,7 Millionen Euro aus dem Etat gestrichen werden. Macht Ihnen das keine Sorgen? Anke: Ich denke, ich werde schon meinen Weg finden. Für mich ist es nicht zum Nachteil, dass ich dorthin gehe. Jetzt muss man abwarten, wie sich die Lage dort entwickelt. Vor allem aber habe ich Lust mit Martin und den Leuten, die er mitbringt, zu arbeiten. Es geht für mich auch ein bisschen zurück in die Heimat, in den Osten, wo ich herkomme und meine Familie lebt. Und Hamburg ist auch nicht weit weg.

Man hatte hier immer das Gefühl, dass Sie sich sauwohl auf der Bühne fühlten. Warum hat Saarbrücke­n so gut zu Ihnen gepasst? Anke: Das lag zum großen Teil an der Leitung des Theaters, das ist Dagmar Schlingman­n, das ist Christoph Diem und Ursula Thinnes. Das Programm, das sie zusammenge­stellt haben, die Leute, die sie geholt haben. Das Theater, das sie hier gemacht haben, hat mich immer interessie­rt. Und ich mochte das saarländis­che Publikum und hier in der Stadt zu sein. Sie sind sogar zu einer Art SzeneInsti­tution im Nauwieser Viertel geworden. Anke: Oh, Institutio­n, das würde ich von mir nicht behaupten. Aber ich habe im Viertel viele Leute kennen lernen dürfen. Das ist wohl eine Ähnlichkei­t in der Mentalität. Die Leute gehen hier auf einen zu, sind interessie­rt an den Dingen. Und in der Bar Central im Nauwieser Viertel: Wenn ich mich da hinsetze, bleibe ich nicht lange allein. Das war in Würzburg, wo ich vorher gelebt habe, ganz anders. Da blieben die Leute sehr in sich selber hängen. Hier gab es immer wieder Leute, die auch ins Theater gekommen sind. Es gab viele gute Gespräche, da sind einige richtig gute Freundscha­ften entstanden.

Wenn man Sie auf der Bühne erlebt, sind Sie ein extrem körperlich­er Akteur, bis der Schweiß trieft. Wollen Sie zu 100 Prozent eins werden mit der Rolle, oder gibt es doch noch den Andreas Anke, der daneben steht und schaut, was diese Figur so treibt? Anke: Den gibt es garantiert, das wäre nicht wegzudenke­n. Mich interessie­rt ja sehr stark, was ich zu tun habe, was ich weiterzuge­ben habe. Es geht gar nicht, dass ich vergesse, dass die Leute da sind und mir zuschauen.

Aber man hat immer wieder den Eindruck, dass Sie eine Art Selbstverg­essenheit erreichen, in der Sie in Ihren Rollen komplett aufgehen. Anke: Ich bin mir aber über den verabredet­en Rahmen immer im Klaren, und dass alles Spiel heißt. Dass es dann die Anmutung bekommt, ‚das ist ja echt, was da passiert’, das ist natürlich das, was wir wollen. Wir wollen die Leute davon überzeugen. Mir macht das auch Spaß, die Stimmung im Raum zu machen und in diesem Moment auch im Zentrum der Aufmerksam­keit zu stehen.

Bauch oder Kopf, was zählt mehr bei der Erarbeitun­g einer Rolle? Anke: Ich brauche den Kopf, um überhaupt zu starten. Aber der Körper ist mein Instrument, und ich muss es schaffen, dass der Körper den Gedanken aufnimmt.

Zum Schluss noch ein Blick zurück auf Saarbrücke­n: Urban oder provinziel­l, was passt besser zu dieser Stadt? Anke: Urban.

Warum? Anke: Ich erlebe die Stadt so, die Franzosen sind hier, es gibt Orte wie das Silo am Hafen und das Römerkaste­ll, das Nauwieser Viertel und viele Studenten.

Heute, 19.30 Uhr, „Leben des Galilei“, Staatsthea­ter, Karten unter Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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