Der rote Dany im Kampfmodus
Cohn-Bendit würde gerne EU-Kommissionschef werden
Daniel Cohn-Bendit saß jahrelang für die Grünen im Europaparlament. Der überzeugte Europäer warnt Deutsche wie Franzosen vor den Folgen des Brexit.
Paris. „Man muss sich mit Energie neu ausrichten“, fordert Daniel Cohn-Bendit. „Man“- das ist für den leidenschaftlichen Verfechter der europäischen Idee die EU nach dem Brexit. Der 71-Jährige, der vor zwei Jahren aus dem Europaparlament ausschied, versprüht nach dem Votum der Briten neuen Kampfgeist. „Ich war zuerst wirklich traurig, aber ich bin in den Offensivmodus gewechselt“, sagte der Grünenpolitiker am Samstag bei einer Konferenz an der Pariser Universität Sciences Po. „Dany le Rouge“,wie Cohn-Bendit in Frankreich liebevoll genannt wird, ist nach dem Nein der Briten zur EU ein gefragter Gesprächspartner. Mit viel Begeisterung und Wortwitz trägt er seine Ideen vor, wie die EU wieder an Attraktivität gewinnen kann: Länderübergreifende Listen soll es bei den nächsten Europawahlen geben, und zwar mit Spitzenkandidaten, die gleichzeitig Anwärter auf das Amt des Kommissionspräsidenten sind. Und ja: „In einem solchen Fall würde ich auch kandidieren“, kündigt der Alt-68er mit der schnarrenden Stimme im französischen Radiosender Europe1 an, wo er jeden Morgen um kurz vor acht die Welt erklärt. Europa ist auch da sein Herzensthema und Cohn-Bendit ist glaubwürdig, wenn er warnt, dass der Frieden auf dem Kontinent nicht ein für allemal garantiert sei. „Wenn man die Geschichte anschaut, ist das nicht der Fall“, bemerkt der jugendlich wirkende Politiker mit dem grau-roten Wuschelkopf. CohnBendit weiß, wovon er spricht: er wurde als Kind deutscher Juden, die 1933 vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren, im südfranzösischen Montauban geboren und wuchs nach dem Krieg in Frankfurt auf. Seit einem Jahr hat er neben der deutschen auch die französische Staatsbürgerschaft. Mit den zutiefst zerstrittenen französischen Grünen hat er gebrochen, nachdem er ihnen 2009 mit 16 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte bei den Europawahlen beschert hatte. Doch das Nein seiner Parteifreunde zum europäischen Fiskalpakt, der mehr Haushaltsdisziplin einfordert, brachte ihn 2012 zur Abkehr. Bei den deutschen Grünen ist der Fußballfan, der im Radio jeden Abend die EM kommentiert, aber weiterhin Mitglied. Einer Spitzenkandidatur für eine europäische Liste würde nichts im Wege stehen. clo