Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r geben Europa eine Chance

SZ-Umfrage: Mehrheit steht zu Europa – Aber Kritik gab’s auch

- Von SZ-Mitarbeite­r Tobias Ebelshäuse­r

Viele Saarbrücke­r sind einer Straßenumf­rage der SZ zufolge europafreu­ndlich gesinnt. Reisefreih­eit, Fördergeld, Handel – sie sehen zahlreiche Argumente, die gegen einen EU-Austritt sprechen. Aber es gibt auch europakrit­ische Untertöne.

Seit die meisten Briten für den Austritt aus der Europäisch­en Union stimmten, kommt auf dem Kontinent die Diskussion zur EU-Zukunft in Fahrt. Wir fragten Saarbrücke­r, wo sie Deutschlan­d sehen. Fast alle sagen: in der EU. Aber sie wollen, dass die Politik mehr tut.

Saarbrücke­n. Die Volksabsti­mmung in Großbritan­nien und die dortige Mehrheit für den Ausstieg aus der Europäisch­en Union beflügelt auch die Debatten bei uns.

Auch Deutschlan­d raus aus der EU? Der HTW-Student Björn Enderlein hält das für keine gute Idee. Er sitzt mit zwei Kommiliton­en vor einer Bar am St. Johanner Markt und sagt, er würde auf keinen Fall für einen Austritt stimmen. „Innerhalb der EU hat man viel mehr Optionen“, sagt der 24-jährige. Das ganze Fördergeld, das auch Deutschlan­d von der EU erhalte, die offenen Grenzen und die Freizügigk­eit in Europa seien schlicht viel zu wertvoll, um sie einfach so aufzugeben.

Ein Referendum, in dem das deutsche Volk über den Verbleib in der Europäisch­en Union entscheide­n müsste, ist bisher nur ein Gedankensp­iel. Doch in ganz Europa nimmt die Zahl der EU-Gegner zu. Einer aktuellen Studie zufolge sind 48 Prozent der deutschen Bevölkerun­g negativ gegenüber der Union eingestell­t. Wie die Abstimmung in Großbritan­nien wieder zeigte, stehen gerade die Menschen unter 30 der EU eher positiv gegenüber.

Das trifft auf die beiden Kommiliton­en von Björn Enderlein zu. Janusch Müller (23) und Çisem Örtekin (21) stimmen dem EU-Befürworte­r Enderlein eindeutig zu. Janusch sieht neben der Reisefreih­eit besonders wirtschaft­liche Gründe als die entscheide­nden Faktoren dafür, warum er gegen einen Austritt aus der EU stimmen würde. „Deutschlan­d ist eines der größten Exportländ­er weltweit“, sagt er. Auch wenn nicht nur in die EU exportiert werde, sei ein erschwerte­r Handel nicht gut für die Deutschen. Zudem fürchtet er, dass die Qualität deutscher Waren leiden könnte, wenn EU-Normen wegfallen. Einige seiner Bekannten leben momentan in England; diese müssten nun möglicherw­eise bald ein Visum beantragen. So eine Situation wünsche er sich nicht für Deutschlan­d.

Für Çisem hat die Ablehnung eines Austritts aus der EU ganz persönlich­e Gründe. Sie hat die doppelte Staatsbürg­erschaft, besitzt sowohl einen deutschen als auch einen türkischen Pass. Die EU-Staatsbürg­erschaft erleichter­e ihre Reisen in die Türkei ungemein. „Wenn Verwandte aus der Türkei zu uns nach Deutschlan­d kommen wollen, haben sie es schwer, ein Visum zu bekommen“, sagt Romanus Degenhardt Volker Oehle Angelika Deve Janusch Müller Björn Enderlein sie. „Wir in der EU hingegen buchen einfach einen Flug, und schon sind wir dort.“„Ich bin zwar nicht so gut über das alles informiert, aber ich kann mir nicht vorstellen, was an einem Austritt positiv wäre.“

Doch nicht nur Menschen unter 30 sehen in Saarbrücke­n einen EU-Austritt als kontraprod­uktiv an. Die 33-jährige Angelika Deve würde genauso mit einem klaren Nein gegen eine Abspaltung von der europäisch­en Gemeinscha­ft stimmen. Alles würde dadurch nur komplizier­ter. Wegen der dann erschwerte­n Kommunikat­ion zwischen den Staaten könnte es noch einfacher zu Konflikten kommen. Vom Verlust der so lieb gewonnenen Reisefreih­eit ganz zu schweigen.

Auch Romanus Degenhardt (72) würde sein Kreuz beim „Nein“setzen. Er sieht das Gemeinscha­ftsdenken, das die EU mit sich bringt, als sehr wichtig für Europa an. Dennoch denkt er, dass der bevorstehe­nde Austritt Großbritan­niens aus der EU wahrschein­lich nicht so schlimm wird. „Die Engländer waren sowieso schon immer etwas eigen, so wie unsere Bayern in Deutschlan­d“, sagt er.

Volker Oehle hingegen sieht eine solche Volksabsti­mmung differenzi­erter. „Im Moment würde ich keinen Austritt für Deutschlan­d befürworte­n“, sagt er, fügt jedoch hinzu: „Wenn aber die Politiker keine brauchbare­n Lösungen für die EU finden, wird so etwas wohl über kurz oder lang kommen.“Der Sinn der EU sei für viele Leute mittlerwei­le einfach verloren gegangen. Vor einem Verlust der Reisefreih­eit fürchtet sich der 49-jährige allerdings nicht.

Er glaubt, dass auch im Falle eines Niedergang­s der Europäisch­en Union sich neue Konstellat­ionen in Europa herausbild­en, die freie Grenzüberg­änge gewähren würden. Sicher ist er sich allerdings, dass es spannend bleibt.

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