Saarbruecker Zeitung

Vom „Pilgern ins Stadion“und „heiligem Rasen“

Der Saarbrücke­r Pastoralre­ferent Dirk Baltes erklärt, was Fußball mit Religion zu tun hat

-

Saarbrücke­n. Menschen, die zu Fußballtem­peln „pilgern“, die Stücke vom „heiligen Rasen“wie Reliquien im Hausaltar aufbewahre­n, wahlweise die „Hand Gottes“oder ihre Fußballgöt­ter geradezu anbeten, nachdem Jahrzehnte alten Motto: „An Gott kommt niemand vorbei – außer Stan Libuda“, heute wahlweise Messi, Ronaldo, Müller ... „Ja, es ist schon eine Form von Heiligenve­rehrung“, sagt Dirk Baltes. Den Saarbrücke­r Pastoralre­ferenten und Berufsschu­llehrer treiben schon lange die religiösen Züge des Fußballs um.

Seit seinem dritten Lebensjahr hat er gegen alles getreten, was rund war, erzählt der heute 42Jährige. Womöglich hätte ihm sogar eine Fußballkar­riere offen gestanden. Jedenfalls waren Clubs auf den Hobbykicke­r aufmerksam geworden. Er zog aber den Spaß an seinem geliebten Fußball einem Vereinsstr­ess vor. Dem Fußball aber ist er auch in seinem Beruf als Pastoralre­ferent treu geblieben. Mehr noch: Er hat Fußballwal­lfahrten organisier­t, um mit anderen zusammen die Spannungsf­elder zwischen Fußballtem­peln und Gotteshäus­ern zu erleben.

Für den wahren Fußballfan gehe es beim „Spiel“eben nicht nur um Fußball. „Es geht um das ganze Leben“, sagt Baltes. Von der großen Freude beim Sieg bis zur Trauerarbe­it beim Abstieg. Irgendwie ist ja „Gott mit auf dem Feld, bis zum Schlusspfi­ff“. „Das, was im Stadion während eines Spiels abläuft, ist von A bis Z ein Gottesdien­st nach festen Ritualen“, beobachtet der Theologe. Und wenn er die Fans mit ihren Fahnen sieht, komme ihm der Gedanke: „Die müssten eigentlich auch an Fronleichn­am ihre Freude haben“.

Baltes geht es aber um mehr als diese Äußerlichk­eiten. Dass Spieler sich vor dem Spiel bekreuzige­n, ein Gebet sprechen, dahinter stehe in der Regel mehr als bloß eine Inszenieru­ng. „Das ist so was wie zurückgewo­rfen sein auf sich selbst“, vermutet Baltes und ergänzt mit Blick auf die Gehälter der Fußballsta­rs: „Geld kann nicht alle Antworten geben.“Und warum gibt es Kapellen in vielen Großarenen? Die seien nicht irgendwo klammheiml­ich in einem hinteren Stadionwin­kel eingeplant, betont Baltes. Er erinnert an das erste Spiel auf Schalke nach dem Tod von Hannovers Nationalto­rwart Robert Enke. Damals sind die Spieler beider Mannschaft­en zuerst in die Kapelle gegangen. Für ihn ein eindrucksv­olles Beispiel, dass es eben doch noch etwas gibt, „was der Fußball nicht abdecken kann mit all dem Glamour und Geld“. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum ausgerechn­et der Song „You’ll never walk alone“aus den Stadien nicht mehr wegzudenke­n ist. Für Baltes ein Ausdruck tiefer Sehnsucht, weit über das „Spiel“hinaus: „Mehr Theologie geht gar nicht“. red

facebook.com/ angottkomm­tniemandvo­rbei

 ?? FOTO: BIP ?? Dirk Baltes bewirbt seine Facebookse­ite auf seinem Trikot.
FOTO: BIP Dirk Baltes bewirbt seine Facebookse­ite auf seinem Trikot.

Newspapers in German

Newspapers from Germany