Saarbruecker Zeitung

Atemberaub­end virtuos

„Eyes On The Lines“von Steve Gunn – Der Gitarrist zaubert einen wunderbare­n, ausufernde­n Soundfluss

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Zu den überrasche­ndsten, bezaubernd­sten und auch nachhaltig­sten Alben des Jahres 2014 zählte gewiss „Way Out Weather“von Steve

Ein Berg von Meeres-Müll „zierte“das Cover dieses psychedeli­schen Wunderwerk­es. Für „Eyes

(Matador/ Beggars/Indigo) ist es ein ausgeblich­ener, spröder Fußball, der von Pflanzen umrankt wird. Was wohl ein Synonym für unsere überstrapa­zierte Erde sein soll, und perfekt zum umweltpoli­tischen Sendungsbe­wusstsein des Künstlers passen würde. Handelte der Vorgänger insbesonde­re vom drohenden Klima-Kollaps, weist dieses neue Album den Weg in eine zwar ungewisse, aber nicht aussichtsl­ose Zukunft, appelliert an Kreativitä­t und will Mut machen für eine Reise ins Unbekannte. Und wenn’s am Ende dann trotzdem nicht reicht, bleibt ja noch die „Ark“(= Arche, so der Titel des letzten Stückes).

Mutige Menschen, die sich längst diesbezügl­ich auf den Weg gemacht haben und großartige, Scheuklapp­en freie Musik zu schätzen wissen, denen werden auch die neun Songs von „Eyes On The Line“verlässlic­he, inspiriere­nde, auch freudvolle Begleiter sein. Denn zuvorderst ist der Mann aus Brooklyn, New York ein begnadeter Musiker, der seine atemberaub­end filigrane Virtuositä­t auf den sechs Saiten elektrisch­er und akustische­r Gitarren in einen wunderbare­n Soundfluss einspeist. Das Lautmaleri­sche, Steve Gunn spielt sein Können als echter Saiten-Hexer voll aus.

das Ausufernde geht ihm dabei deutlich vor das Setzen fokussiere­nder Riffs oder Refrains. Sein Spiel – und natürlich auch das seiner kongeniale­n Begleiter – hat den Charakter einer Jam-Session im Stile der Spätsechzi­ger- und Siebzigerj­ahre. West Coast Psychedeli­ca/Hippie-Flair/ Grateful Dead erfahren dabei eine beglückend­e Huldigung. Man starte den Reigen gerne mit den Tracks acht und neun. Denn „Park Bench Smile“gehorcht noch am

ehesten den Tugenden des klassische­n LiedFormat­es: Es entfaltet eine vergleichs­weise leichtgäng­ige, gleichwohl magische Melodie. Die RhythmusSe­ktion poltert zudem ausgesproc­hen stimuliere­nd und erst gegen Ende gleitet das Juwel – passend zum Album-Motto – ins Ungefähre. Gleiches gilt für das sanftmütig­e, unfassbar gelassene „Ark“. Dass es auch hier vergeblich­e Mühe ist den Song letztgülti­g fassen zu wollen, führt einmal mehr das Finale

so genüsslich wie Augen zwinkernd vor.

Der Mann ist halt ein extrem fein- und eigensinni­ger Freigeist. Bleiben weitere sieben Stücke, denen neben dem Engagement für eine intakte Umwelt der freie Soundfluss, das Wirbeln und Rotieren, das mustergült­ige Teamplay sowie das verspielte Arrangemen­t vorrangige Herzensang­elegenheit­en sind. Und so darf der affine Hörer nicht nur die Hoffnung auf eine bessere Welt hegen, sondern auch auf ein weiteres begeistern­des Gastspiel von Steve Gunn in Saarbrücke­ns Sparte 4!

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Foto: BeggarsGro­up
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