Saarbruecker Zeitung

„Erdogans kurzsichti­ge Politik rächt sich“

- Lesen Sie das ganze Interview unter www.saarbrueck­er-zeitung.de/berliner-buero

Die Terroransc­hläge in der Türkei sind nach Ansicht des IS- und Türkei-Experten Wilfried Buchta auch Folge des Vorgehens des türkischen Präsidente­n Erdogan. Warum, erklärt er im Gespräch mit SZKorrespo­ndent Hagen Strauß. Herr Buchta, warum nimmt der IS verstärkt die Türkei ins Visier?

Buchta: Die Türkei engagiert sich offiziell jetzt mehr in der Anti-ISKoalitio­n. Das ist der Grund. Wobei man nicht genau weiß, ob Präsident Erdogan es mit diesem Engagement ernst meint.

Weil es bisher hieß, Ankara unterstütz­e den IS? Buchta: Richtig. Der IS und auch andere islamistis­che Organisati­onen sind bisher heimliche Verbündete von Erdogan im Kampf gegen das syrische Assad-Regime gewesen. Seine Devise lautet: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Deswegen sollen ISKampfver­bände auch Empfänger von türkischen Waffenlief­erungen gewesen sein. Deswegen konnten sich islamistis­che Kämpfer immer wieder in den Ruheraum Türkei zurückzieh­en. Dort wurden auch Soldaten seitens des IS rekrutiert. Inwieweit Erdogan das selbst gedeckt hat, lässt sich nicht genau sagen.

Woher ist dann Erdogans Sinneswand­el gekommen? Buchta: Dass er eine Kurskorrek­tur im Umgang mit dem IS vorgenomme­n hat, ist offenkundi­g. Seine Annäherung an Russland, das ja den syrischen Machthaber Assad massiv unterstütz­t, ist auch ein Signal Erdogans an den IS gewesen, den Kampf gegen die Dschihadis­ten ernsthafte­r führen zu wollen. Ich glaube, dass Erdogan dem massiven Druck der USA nachgegebe­n hat. Deswegen engagiert sich Ankara jetzt verstärkt in der Anti-IS-Koalition. Nun aber rächt sich Erdogans kurzsichti­ge Politik, da sich seine und die Interessen des IS nicht mehr decken. Der IS entzieht sich der Kontrolle Ankaras und überzieht seinen ehemaligen Förderer mit Terror.

Newspapers in German

Newspapers from Germany