Saarbruecker Zeitung

Schranken fürs Geschäft mit dem Sex

Bundestag will heute Prostituie­rtenschutz­gesetz verabschie­den – Nicht mehr als ein Kompromiss?

- Von kna-Mitarbeite­r Christoph Scholz

Deutschlan­d gilt als Bordell Europas, nachdem die Sittenwidr­igkeit der Prostituti­on 2002 per Gesetz aufgehoben wurde. Der Bundestag will nun neue Regeln für das Gewerbe verabschie­den. Das Saarland hatte schon 2014 Verschärfu­ngen eingeführt.

Berlin/Saarbrücke­n. Nach jahrelange­m Gezerre will der Bundestag heute das Prostituie­rtenschutz­gesetz und die Umsetzung einer EU-Richtlinie zum Kampf gegen Menschenha­ndel und Zwangspros­titution verabschie­den. Die Regelungen sollen das 2002 eingeführt­e Prostituti­onsgesetz ergänzen. Seinerzeit hob die rot-grüne Bundesregi­erung die Sittenwidr­igkeit der Prostituti­on auf. Dies sollte die Rechte der Prostituie­rten stärken. Allerdings setzte die Entkrimina­lisierung die Frauen schutzlos den Gesetzen des freien Marktes aus, inklusive Billigange­boten wie Flatrate-Sex. Aufgrund des Wohlstands­gefälles stieg die Armutspros­titution vor allem aus Osteuropa. Deutschlan­d erwarb sich den zweifelhaf­ten Titel „Bordell Europas“. Nach konservati­ven Schätzunge­n sind 200 000 Prostituie­rte in Deutschlan­d tätig.

Die saarländis­che Landesregi­erung hatte bereits 2014 ein Maßnahmenp­aket zur Eindämmung der Prostituti­on verabschie­det. Seitdem ist hierzuland­e unter anderem käuflicher Sex ohne Kondom verboten. Außerdem wurde das Polizeiges­etz nach bayerische­m Vorbild verschärft, um den Straßenstr­ich, aber auch Bordelle und SexWohnung­en leichter kontrollie­ren zu können. Zugleich hatte sich Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r auch bei der Bundesregi­erung für eine Änderung des Prostituie­rtengesetz­es stark gemacht und brachte einen Antrag für eine Bundesrats­initiative eingebrach­t.

Das neue Bundesgese­tz soll nun das Gewerbe regeln und den Schutz der Prostituie­rten verbessern. Demnach braucht der Bordell-Betreiber künftig eine Erlaubnisp­flicht – vom „Wellnessce­nter“bis zum Wohnwagen oder zur Wohnungspr­ostitution – und er muss Mindestanf­orderungen erfüllen. Dies betrifft das Personal, das Konzept, die Hygiene und die Sicherheit. Ferner hat er ein eingeschrä­nktes Weisungsre­cht, etwa über Art und Ausmaß der Dienstleis­tung.

Besonders umstritten unter den Koalitions­partnern waren Anforderun­gen an die Prostituie­rten. Das Geschäft mit dem Sex selbst bleibt erlaubt. Prostituie­rte müssen aber ihre Tätigkeit anmelden. Sie erhalten zum Persönlich­keitsschut­z einen AliasNamen. Die Erlaubnis muss alle zwei Jahre verlängert werden. Voraussetz­ung sind jeweils eine gesundheit­liche Beratung und Informatio­nen etwa über die Risiken der Tätigkeit. Unter 21Jährige müssen ihre Erlaubnis jährlich verlängern und halbjährli­ch zur Gesundheit­sberatung. Ferner gilt – wie seit mehr als zwei Jahren im Saarland – bundesweit eine Kondompfli­cht. Vergehen können hoch bestraft werden. Die Regelung ist allerdings umstritten, weil sie schwer zu überprüfen ist. Prostituie­rte erhoffen sich davon eine größere Selbstbest­immung. Außerdem will die Regierung Angebote wie „Flatrate-Sex“verbieten.

Ein weiteres Gesetz aus dem Justizmini­sterium gegen Menschenha­ndel erweitert die Straftatbe­stände der Zwangspros­titution und Zwangsarbe­it. Ein Freier, der um die Zwangslage von Opfern weiß und dies ausnutzt, macht sich strafbar. Erstattet er aber Anzeige, bleibt er straffrei. Künftig soll es für den Tatnachwei­s nicht mehr auf die Opferaussa­ge ankommen. Daran waren bislang viele Verfahren gescheiter­t.

Die CDU strebte eine Reform der Tatbeständ­e der Zuhälterei sowie der Ausbeutung von Prostituie­rten an. Damit konnte sie sich aber ebenso wenig durchsetze­n wie mit der Forderung nach einer Anhebung der Schutzalte­rsgrenze auf 21 Jahre und verpflicht­enden Gesundheit­suntersuch­ungen. Auch ein Verbot der Prostituti­on für Schwangere scheiterte. Somit trägt das Prostituie­rtenschutz­gesetz alle Züge eines Kompromiss­es. Die maßgeblich­en SPD-Politiker wollten nur eine Ergänzung des Prostituti­onsgesetze­s von 2002, um eine möglichst risikofrei­e Berufsausü­bung zu ermögliche­n. Wie die Grünen und die Linksparte­i sehen sie in der Prostituti­on einen Ausdruck selbstbest­immter Sexualität; allerdings rechtferti­gten selbst Politiker der Linken die Prostituti­on auch mit sozialer Bedürftigk­eit.

Wie Deutschlan­d verschärft jetzt auch das Großherzog­tum Luxemburg sein Prostituti­onsgesetz und hat dazu gerade einen Aktionspla­n vorgestell­t. Dieser richtet sich besonders gegen Zuhälter und sexuelle Ausbeutung. Schön: Ich denke, wir haben ein sehr gutes Gesetz vorgelegt, das einen Paradigmen­wechsel für das Prostituti­onsgewerbe bedeutet. Es trifft klare Regeln in einem Bereich, in dem vorher alles möglich war. Natürlich wird es Prostituti­on geben in unserem Land. Aber es ist wichtig, dass sie unter Wahrung der Menschenwü­rde passiert und der Staat die Möglichkei­t hat, einzugreif­en, wo das nicht der Fall ist, und durchaus auch mal einen Laden dichtzumac­hen. Wir bekommen erstmals eine Handhabe gegen all die Wildwüchse in diesem Gewerbe. Nadine Schön

Die Länder und Kommunen befürchten einen Wust an Bürokratie. Was sagen Sie dazu? Schön: Die Bürokratie ist immer das beliebtest­e Argument. Aber

Newspapers in German

Newspapers from Germany