Das Nationaltrikot ist seine große Liebe
Trainer Deschamps hat die Franzosen mit ihrem Fußball-Team versöhnt
Marseille. Liga-Titel in Frankreich und Italien, Champions League, Europa- und Weltmeisterschaft: Didier Deschamps hat alles gewonnen – zumindest als Spieler. Nun will der französische Nationaltrainer auch als Coach den Pokal. Doch egal, wie der Europameister am Sonntag heißt, „Dédé“hat bereits einen Erfolg vorzuweisen: Er hat aus einer aufmüpfigen, zerstrittenen Mannschaft ein Team gemacht. Auch die Franzosen versöhnte der grauhaarige 47-Jährige mit den in den vergangenen Jahren so ungeliebten „Blauen“. Von einer „außerordentlichen Unterstützung des Volkes“schwärmte er nach dem 5:2 gegen Island.
Dabei ist der kleine Mann mit den schmalen Lippen und der näselnden Stimme alles andere als ein charismatischer Anführer. Dem Kapitän der legendären Weltmeister-Elf von 1998 fehlt das Genie von Zinédine Zidane ebenso wie die Aura seines Vorgängers Laurent Blanc. Doch gerade das trägt zur Popularität des Basken aus Bayonne bei: Er will nicht im Scheinwerferlicht stehen. Statt dessen feilt der Perfektionist unermüdlich an der besten Taktik gegen den jeweiligen Gegner und ändert dafür immer
Kritischer Blick, pragmatischer Stil: Didier Deschamps.
wieder seine Aufstellung. „Man muss sich anpassen“, lautet einer seiner Lieblingssätze. Kritiker werfen ihm deshalb vor, nur „auf Sicht“zu fahren. Doch für Deschamps zählt allein das Ergebnis. dem Debakel bei der WM 2010 in Südafrika. Damals rebellierte die Mannschaft nach dem Rauswurf des rüpelnden Nicolas Anelka gegen Trainer Raymond Domenech. Die Bilder der „Bleus“, die einfach im Mannschaftsbus sitzen blieben, gingen um die Welt. Dennoch habe er nicht gezögert, als das Angebot des Nationalteams kam, sagte Deschamps 2012 nach seiner Ernennung. „Ich hänge sehr am Nationaltrikot, das mir die schönsten Momente meiner Karriere beschert hat.“
Der einstige Nationalspieler, der 103 Länderspiele bestritt, meint vor allem den 12. Juli 1998 – damals bekam er im Stade de France aus den Händen von Präsident Jacques Chirac den Weltmeisterpokal überreicht. Als erster der Siegerelf stieg der damals noch blonde Deschamps vor zehntausenden jubelnden Franzosen auf die Tribüne. Zwei Jahre später folgte der EM-Titel. Solche Augenblicke will Deschamps, der seit mehr als 25 Jahren verheiratet ist und einen erwachsenen Sohn hat, jetzt wieder erleben. „Napoleon sagte, dass man zum Sieg in der Schlacht gute Soldaten und Glück braucht. Didier hatte immer beides“, stellte der ehemalige Uefa-Präsident Michel Platini einmal neidisch fest. Spätestens am Sonntag wird sich zeigen, ob er Recht hat.