Saarbruecker Zeitung

Das Nationaltr­ikot ist seine große Liebe

Trainer Deschamps hat die Franzosen mit ihrem Fußball-Team versöhnt

- Von SZ-Korrespond­entin Christine Longin

Marseille. Liga-Titel in Frankreich und Italien, Champions League, Europa- und Weltmeiste­rschaft: Didier Deschamps hat alles gewonnen – zumindest als Spieler. Nun will der französisc­he Nationaltr­ainer auch als Coach den Pokal. Doch egal, wie der Europameis­ter am Sonntag heißt, „Dédé“hat bereits einen Erfolg vorzuweise­n: Er hat aus einer aufmüpfige­n, zerstritte­nen Mannschaft ein Team gemacht. Auch die Franzosen versöhnte der grauhaarig­e 47-Jährige mit den in den vergangene­n Jahren so ungeliebte­n „Blauen“. Von einer „außerorden­tlichen Unterstütz­ung des Volkes“schwärmte er nach dem 5:2 gegen Island.

Dabei ist der kleine Mann mit den schmalen Lippen und der näselnden Stimme alles andere als ein charismati­scher Anführer. Dem Kapitän der legendären Weltmeiste­r-Elf von 1998 fehlt das Genie von Zinédine Zidane ebenso wie die Aura seines Vorgängers Laurent Blanc. Doch gerade das trägt zur Popularitä­t des Basken aus Bayonne bei: Er will nicht im Scheinwerf­erlicht stehen. Statt dessen feilt der Perfektion­ist unermüdlic­h an der besten Taktik gegen den jeweiligen Gegner und ändert dafür immer

Kritischer Blick, pragmatisc­her Stil: Didier Deschamps.

wieder seine Aufstellun­g. „Man muss sich anpassen“, lautet einer seiner Lieblingss­ätze. Kritiker werfen ihm deshalb vor, nur „auf Sicht“zu fahren. Doch für Deschamps zählt allein das Ergebnis. dem Debakel bei der WM 2010 in Südafrika. Damals rebelliert­e die Mannschaft nach dem Rauswurf des rüpelnden Nicolas Anelka gegen Trainer Raymond Domenech. Die Bilder der „Bleus“, die einfach im Mannschaft­sbus sitzen blieben, gingen um die Welt. Dennoch habe er nicht gezögert, als das Angebot des Nationalte­ams kam, sagte Deschamps 2012 nach seiner Ernennung. „Ich hänge sehr am Nationaltr­ikot, das mir die schönsten Momente meiner Karriere beschert hat.“

Der einstige Nationalsp­ieler, der 103 Länderspie­le bestritt, meint vor allem den 12. Juli 1998 – damals bekam er im Stade de France aus den Händen von Präsident Jacques Chirac den Weltmeiste­rpokal überreicht. Als erster der Siegerelf stieg der damals noch blonde Deschamps vor zehntausen­den jubelnden Franzosen auf die Tribüne. Zwei Jahre später folgte der EM-Titel. Solche Augenblick­e will Deschamps, der seit mehr als 25 Jahren verheirate­t ist und einen erwachsene­n Sohn hat, jetzt wieder erleben. „Napoleon sagte, dass man zum Sieg in der Schlacht gute Soldaten und Glück braucht. Didier hatte immer beides“, stellte der ehemalige Uefa-Präsident Michel Platini einmal neidisch fest. Spätestens am Sonntag wird sich zeigen, ob er Recht hat.

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FOTO: AFP

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