Saarbruecker Zeitung

Schwarze Null, gleich doppelt

Schäuble verdonnert die Republik zu steuerpoli­tischem Stillstand

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Wolfgang Schäuble wird als erfolgreic­hster Finanzmini­ster in die deutsche Nachkriegs­geschichte eingehen. Der CDUPolitik­er hat die „Schwarze Null“, den schuldenfr­eien Haushalt, entschloss­en angepeilt und seit 2014 verbissen verteidigt. Sie soll bis mindestens 2020 stehen bleiben. Das ist seine Leistung. All jene auf der linken Seite, die immer wieder Ausgaben auf Pump fordern, sollten sich daran erinnern, wie einengend eine solche – zunächst als befreiend empfundene – Politik schnell wird. Wie sehr sie Zukunft verbaut. Vorwerfen kann man Schäubles Haushaltsp­länen allenfalls, dass er den konsumtive­n Wünschen im Sozialbere­ich allzu schnell nachgegebe­n und den Investitio­nshaushalt etwas vernachläs­sigt hat. Das war allerdings auch eine Folge der großen Koalition.

Der Verzicht auf neue Schulden ist nicht allein Schäubles Verdienst. Die grundgeset­zliche Schuldenbr­emse fand er schon vor, als er 2009 ins Amt kam, ebenso die Reformen der Schröder-Zeit, die den Arbeitsmar­kt wieder in Gang gesetzt und die Sozialausg­aben verringert haben. Die Finanzkris­e 2008 wurde intelligen­t gemeistert, sodass die Steuerquel­len schnell wieder sprudelten – dank der damaligen großen Koalition mit Finanzmini­ster Peer Steinbrück (SPD). Hinzu kamen die Niedrigzin­sen, die Deutschlan­d Milliarden an Kreditkost­en ersparten.

Es gibt jedoch eine Kehrseite der aktuellen Finanzpoli­tik: Mit

GLOSSE dem Verspreche­n, keine Steuern zu erhöhen, ging die Union 2013 in den Wahlkampf, damit will sie auch 2017 werben. Dieses Verspreche­n allerdings scheint inzwischen in Stein gemeißelt und verhindert jegliche Veränderun­g, sogar das Nachdenken darüber. Das völlig verquere und wachstumsh­emmende Mehrwertst­euersystem bleibt, wie es ist. Unveränder­t ist auch die Einkommens­teuerkurve, obwohl sie die Leistung der mittleren Schichten bestraft. Nichts tut sich bei der Besteuerun­g von Erbschafte­n, Vermögen und Kapitalert­rägen, weshalb die Reichen noch reicher werden. Und niemand rührt an die steuerlich­en Subvention­en mit all ihren Fehlanreiz­en, etwa das Dienstwage­nprivileg. Vom sonst so wortmächti­gen Wolfgang Schäuble kam in sieben Jahren Amtszeit kein einziger Reformvors­chlag, mal abgesehen von leichten Korrekture­n beim Erbschafts­teuerrecht, die das Verfassung­sgericht erzwungen hat.

Wohlgemerk­t: Es geht nicht um mehr Staatseinn­ahmen. Die Staatsquot­e ist mit rund 44 Prozent wahrlich hoch genug. Einer Erhöhung müssten Entlastung­en an anderen Stelle gegenübers­tehen. Es geht um mehr Dynamik, auch um mehr Gerechtigk­eit innerhalb des bestehende­n Rahmens. An dieser Stelle steht in Schäubles Bilanz ebenfalls eine Null, und auch sie ist schwarz. Der Finanzmini­ster und die Union haben Deutschlan­d steuerpoli­tisch Stillstand verordnet. Das ist kein Verdienst.

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Von Werner Kolhoff

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