Saarbruecker Zeitung

Schäuble feiert neue Rekorde der Solidität

Bund will nächstes Jahr und bis 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen – Einzeletat­s steigen trotzdem

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Die Steuerquel­len sprudeln dank guter Wirtschaft­slage, und die hält trotz Brexit mit einem Wachstum von 1,7 Prozent zunächst wahrschein­lich an. Deshalb konnte Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) gestern auch für 2017 einen Haushaltse­ntwurf ohne neue Schulden vorstellen, zum dritten Mal in Folge. Unser Berliner Korrespond­ent Werner Kolhoff beantworte­t die wichtigste­n Fragen.

Ist die „Schwarze Null“echt oder gemogelt? Soweit derzeit überprüfba­r, sind die Zahlen nicht geschönt, anders als in früheren Haushalten, die oft nach dem Prinzip Hoffnung gestrickt waren. Nur 2018 hat der Finanzmini­ster eine „globale Minderausg­abe“von 4,9 Milliarden Euro eingeplant, die durch Einsparung­en in den Einzelress­orts dann noch erwirtscha­ftet werden müssen. Ansonsten gibt es keine versteckte­n Posten, wenn man einmal davon absieht, dass es plötzlich Krisen geben kann, die das Zahlenwerk stark verändern. Nach Plan soll es 2017 rund 328 Milliarden Euro Ausgaben geben. Das ist 3,7 Prozent mehr als in diesem Jahr, vor allem wegen der Flüchtling­skosten. Etwa ein Zehntel entfallen auf Investitio­nen. Bis 2020 soll der Bundeshaus­halt dann auf 349 Milliarden Euro steigen.

Ändert die Planung etwas am Schuldenst­and Deutschlan­ds? Getilgt wird derzeit nichts von den rund zwei Billionen Euro, mit denen das Land in der Kreide steht. Weil aber die Wirtschaft kontinuier­lich wächst, sinkt die relative Schuldenqu­ote, sobald keine neuen Kredite aufgenomme­n werden. Und so nähert sich Deutschlan­d von einem gesamtstaa­tlichen Defizit von 81 Prozent (gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt) im Jahr

Schäuble präsentier­t einen ausgeglich­enen Haushalt.

2010 bis 2020 wieder langsam den 60 Prozent, die nach den Maastricht-Verträgen nur erlaubt sind. Derzeit sind es 70 Prozent. Die Zinskosten dürften bei so guter Bonität noch niedriger werden.

Wofür wird das viele Geld ausgegeben? Der Löwenantei­l wird wie immer für Soziales, also Renten, Gesundheit oder Familienfö­rderung, ausgegeben. 2017 sind es 171 Milliarden Euro oder 52 Prozent des Etats. Wenn man aber vergleicht, welche Ressorts die stärksten Zuwächse verzeichne­n, liegt das kleine Umwelt- und Bauministe­rium mit plus 20 Prozent vorne – für Endlagerpr­ojekte, Klimaschut­z und die Bauförderu­ng. Das Verkehrsre­ssort belegt mit plus 9,2 Prozent Platz Zwei - hier macht sich die Ausweitung der LkwMaut auf alle Bundesstra­ßen bemerkbar, ebenso die Erhöhung der Mittel für Brücken und Straßen. Auch die neuen sicherheit­spolitisch­en Herausford­erungen schlagen im Etatentwur­f deutlich zu Buche: Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen bekommt 2,3 Milliarden Euro mehr und kann sie für zusätzlich­e Soldaten und Material ausgeben; Innenminis­ter Thomas de Maizière (plus 0,5 Milliarden Euro) kann unter anderem zur Terrorbekä­mpfung Bundespoli­zei und Bundeskrim­inalamt ausbauen. Und auch die Kaufprämie für Elektroaut­os (1,6 Milliarden bis 2020) ist noch drin.

Wie macht sich die Flüchtling­skrise im Haushalt bemerkbar? Die Ausgaben verstecken sich in etlichen Einzelplän­en. Insgesamt enthält der Bundeshaus­halt 19 Milliarden Euro für diesen Bereich. Darin enthalten sind 6,3 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Fluchtursa­chen, die zum großen Teil in den Entwicklun­gshilfeeta­t fließen oder auch im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens nach Ankara gehen. Registrier­ung und Bearbeitun­g der Anträge kosten 1,1 Milliarden Euro, Integratio­nsleistung­en 4,1 Milliarden und Sozialtran­sfers ebenfalls 4,1 Milliarden, vor allem für Arbeitslos­engeld II. Allerdings fordern die Länder, angeführt von Bayern, bis 2019 acht Milliarden Euro zusätzlich vom Bund.

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FOTO: AFP

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