Lehrlinge lernten, Flüchtlinge zu verstehen
Die Berufsschüler interviewten Familien, die nicht wissen, was aus ihren Angehörigen geworden ist
Sie wollten eine Ausstellung vorbereiten – deshalb beschäftigten sich künftige Kaufleute für Versicherungen und Finanzen am KBBZ Halberg intensiv mit dem Schicksal und den Gefühlen von Flüchtlingen.
Saarbrücken. „Wir machen jedes Jahr eine Projektwoche, und aufgrund unserer Auszeichnung ,Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage’ fallen die Themen hierfür häufig auf passende Bereiche“, sagt Nina Vester, Lehrerin am Kaufmännischen Berufsbildungszentrum (KBBZ) Halberg. Den Anstoß zum Flüchtlingsthema gab den Schülern ein Film in der Schulkinowoche. „Wir haben uns den Film ,Die Piroge: In einem Boot mit Flüchtlingen’ angeschaut. Da geht es um das Schicksal afrikanischer Bootsflüchtlinge. Erst wollte ich die Schüler einen Text zum Film schreiben lassen, aber dann kamen sie auf mich zu und hatten ganz andere Ideen“, schildert Nina Vester. „Wir haben uns dazu entschieden, die Routen der
Jana Hell, Julia Willems und Sandra Reichert (v.l.) haben ein symbolisches Haus gebaut, das die Schwierigkeiten, aber auch die positiven Aspekte zeigen soll, denen Flüchtlinge begegnen.
Flüchtlinge bildlich darzustellen“, erzählt Tobias Ehrmann, der mit Pascal Biedorf und Aline Huwig auf einer großen Karte die sechs Hauptfluchtrouten mit Schnüren dargestellt hat. „Bei unserem Projekt haben wir gesehen, welche Wege die Flüchtlinge teilweise über Jahre zurückgelegt haben, um an einen sicheren Ort zu gelangen. Das mussten wir erst mal sacken lassen“, schildert der Schüler und seine Kameraden nicken.
Marie Engel, Lena Franke, Julia Marian und Angelina Wirth haben sich dazu entschieden, ein Interview mit einer Flüchtlingsfamilie zu führen und dies zu filmen. Marie Engel berichtet: „Wir haben mit der Landesaufnahmestelle in Lebach Kontakt aufgenommen und durften vor Ort mit einer Flüchtlingsfamilie sprechen. Sie haben uns von ihrer Situation erzählt, und dem Familienvater kamen sogar die Tränen. Wir wussten gar nicht, wie wir damit umgehen sollen.“Bei einem zweiten Interview im neuen Zuhause der Familie berichteten die Flüchtlinge von ihren Angehörigen. „Die Familie hat gar keinen Kontakt mehr zu ihren Verwandten in ihrer Heimat. Sie wissen nicht einmal, ob ihre Verwandten noch leben.“Marie Engel und ihre Mitschülerinnen waren betroffen nach den Interviews und können seither die Situation vieler Flüchtlinge besser nachvollziehen. Nina Vester ist sehr beeindruckt von ihren Schülern. Die Schüler, so sagt Vester, hätten ihre Vorurteile über Bord geworfen und Verständnis für die Flüchtlinge entwickelt. bub