Saarbruecker Zeitung

Wo Sarah die besten Ideen hat

Beim SOS-Kinderdorf Saarbrücke­n starten Tausende junge Leute ins Berufslebe­n durch

- Von SZ-Redakteur Frank Kohler

Nicht jeder Weg durch die Kindheit und in den Beruf führt schnurgera­de nach oben. Wo Hinderniss­e sind und Wegweiser fehlen, hilft das SOS-Kinderdorf Saarbrücke­n. Dort ist morgen Doppel-Jubiläum.

Saarbrücke­n. Kevin Reis streicht inmitten des Kommens und Gehens sorgfältig den Zaun. Kein Zweifel: Bis die Gäste kommen, ist auf dem kleinen Festplatz alles wie neu. Nicht nur der Zaun.

Das Haus Seilerstra­ße 6, Herzstück des SOS-Kinderdorf­s Saarbrücke­n, vibriert. In Lehrküche und Ausbildung­srestauran­t ist gegen Mittag sowieso viel los. Aber drei Tage vor dem Fest ist überall die Tatkraft der Menschen mit Händen zu greifen. 40 Jahre Jugendhilf­e und 30 Jahre Jugendberu­fshilfe feiert das SOS-Kinderdorf Saarbrücke­n an diesem Freitag (siehe Infokasten). Männer schleppen die Teile fürs große Zelt herbei. Aus Stahl und Planen entsteht binnen weniger Stunden das Zelt, Mittelpunk­t des Doppeljubi­läums. Was die SOS-Leute seit den ersten Jugendwohn­gruppen am Deutschher­rnpfad aufbauten, ausbauten und der sich wandelnden Gesellscha­ft anpassten, wuchs über vier Jahrzehnte. An das große Haus in der Seilerstra­ße war 1975 noch nicht einmal zu denken.

Vom Lärm aus dem Hof sickert durch die Fenster im dritten Stock nur wenig in Albrecht Scherers Chefbüro. Bei ihm sitzen Sarah Rester, Didier Dufetumuki­za und Carlo Cannarozzo. Das sind drei junge Leute um die 20, die etwas erreichen wollen. Deswegen nehmen sie Hilfe an, wo ihnen Hinderniss­e den Weg in Ausbildung und Beruf versperren. Scherer, seit 16 Jahren dabei, Helga Kugler, die seit 23 Jahren im Team ist, und weitere rund 120 Mitarbeite­r haben ein Gespür für die Fähigkeite­n der jungen Leute.

Sie wissen, wie Sarah Resters Kreativitä­t in vielen Facetten funkelt, wenn sie ihre Schüchtern­heit abgelegt hat. In der Jubiläumsb­roschüre scheint ihr Können auf. Oft lebt Sarah mit Pinsel und Farbe ihre Freude an Formen im großen MalerRaum des Zentrums aus.

Der selbstbewu­sste Didier hat dank der Hilfe aus der Seilerstra­ße Ziele gefunden. Sportökono­mie will er studieren, wenn er mit Hilfe von Helga Kugler den Weg dahin abgesteckt und zurückgele­gt hat.

Carlo Cannarozzo schwärmt von seinem Traumberuf. Koch möchte er werden. Carlo kann es kaum erwarten, sich in einer Lehre mit allem Drum und Dran an der Seite erfahrener Meister zum Küchenprof­i zu entwickeln, wie es sie als Ausbilder in der Seilerstra­ße gibt.

Nicht nur im Nauwieser Viertel arbeitet das SOS Kinderdorf Saarbrücke­n. Teammitgli­eder sind auch dort, wo junge Leute, die einfach nicht den Sprung ins Berufslebe­n schaffen, sogar auf der Straße leben.

Die SOS-Helfer greifen mit Experten vom Jobcenter in einen großen „Werkzeugka­sten“, um das passende Förderange­bot für den jeweiligen jungen Menschen zu finden.

Viele müssen nach Jahrzehnte­n, in denen sie niemand so richtig förderte und forderte, erst mal ein Gerüst in ihre Tage ziehen, pünktlich aufstehen, in die Gänge kommen, sich fit für eine Ausbildung machen.

Wer noch nicht so weit ist, fasst in der Ergotherap­ie neues Selbstvert­rauen. Ob er nun Seifenkist­en für das Nauwieser Fest baut oder Körbe flicht. Das nächste Ziel ist die Lehre, sei es in Betrieben aus der Region oder im Kinderdorf selbst.

Ausbildung­en bietet es in Hauswirtsc­haft, Küche, Gastronomi­e und Büromanage­ment. Rund 500 Menschen vom Kind bis zum Erwachsene­n nutzen die Angebote des SOS Kinderdorf­s Saarbrücke­n inzwischen. Vergleichb­ar große Angebote gibt es nur noch in vier weiteren bundesdeut­schen Städten, zum Beispiel in Berlin.

Mitarbeite­r wie Helga Kugler behalten trotz dieser Größe die Einzelschi­cksale im Blick. Die Freude über jeden, der sich seinen Platz im Leben erobert hat und dann mal wieder stolz in die Seilerstra­ße kommt, lässt ihre Augen leuchten.

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FOTO: BECKER&BREDEL Sarah Rester lebt ihre Kreativitä­t gern beim Gestalten aus; sei es im Maler-Raum oder in der Jubiläumsb­roschüre.

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