Speer-Spektakel auf dem Museums-Platz
Leichtathletik-EM: Favorit Röhler in Qualifikation ohne Probleme – Ex-Saarbrücker Vetter scheitert überraschend
Die Stadien sind groß genug für 100-Meter-Würfe, sagt Speerwerfer Thomas Röhler. In Amsterdam musste der Favorit auf EM- und Olympia-Gold seinen Job außerhalb der Arena verrichten: In der Qualifikation flog der Speer vor dem Rijksmuseum.
Amsterdam. Wenn etwas durch die Luft fliegt, dann ist Thomas Röhler begeistert. Dann ist er in seinem Element. Als Kind warf er gerne Steine am Strand herum. 15 Jahre später, da schleudert er den Speer weit über die 90 Meter hinaus. Darum ist der Thüringer ein Gold-Favorit bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Amsterdam. In der Qualifikation gestern gehörte der Weltjahresbeste zu den Attraktionen in der niederländischen Hauptstadt. Die Qualifikationsweite von 81,50 Meter hakte er mit dem ersten Wurf ab: 83,98 Meter. Überraschend gescheitert ist der ehemalige Saarbrücker Johannes Vetter von der LG Offenburg, hinter Röhler mit der Saisonbestleistung von 88,23 Metern Zweiter der Welt. Er erreichte nur 79,98 Meter. Dass die Speere gestern nicht durch ein Stadion, sondern über den Amsterdamer Museums-Platz geflogen sind, dürfte nicht der Grund für das Scheitern gewesen sein. Die Vorkämpfe mit Speer und Diskus finden auf einer abgesperrten Rasenfläche vor dem Rijksmuseum statt.
„Das ist eine spannende, neue Situation für uns, eine mutige Entscheidung“, sagte Röhler: „Die Kulisse ist wirklich atemberaubend.“Er ist Speerwerfer mit Leib und Seele, schaut aber auch über den Tellerrand hinaus: „Es gibt viele Leichtathletik-Interessierte, aber wir müssen attraktiv bleiben.“Den Speerwurf „nach draußen“zu holen, aus dem Stadion, mitten in die Stadt – das ist aus seiner Sicht eine gute Lösung. Allerdings passt das nicht überall: „Wir werfen über 90 Meter, da muss die Sicherheit gegeben sein.“Sorgen machte er sich vor dem Spektakel auf dem Museums-Platz nicht. Die Fans standen in sicherem Abstand. „Und es ist anzunehmen“, sagte Röhler vor der Qualifikation grinsend, „dass alle Athleten, die die EM-Qualifikation haben, den Speer geradeaus werfen und im Sektor halten können“.
Das Finale steigt heute im Stadion. Röhler ist Gold-Favorit. Das hat sich der Mann vom LC Jena selber eingebrockt. Am 29. Juni sorgte er im finnischen Turku für eine Sternstunde der Leichtathletik: Zweimal flog der Speer in einem Wettkampf über 91 Meter: 91,04 und 91,28 Meter. Seit 20 Jahren hat kein deutscher Athlet weiter geworfen. Nur der Magdeburger Raymond Hecht steht in der „ewigen“Rangliste mit dem deutschen Rekord von 92,60 Metern vor ihm. Röhler ist die Nummer elf in der Welt und gehört zum illustren Club jener 15 Männer, die mit dem neuen Speer die 90Meter-Marke geknackt haben.
Die Glückwünsche nach seinem Wahnsinnswettkampf in Turku haben ihm gut getan. Schulterklopfer braucht er aber nicht. „Es geht darum“, sagt er, „wieder so weit und möglichst noch weiter zu werfen“. Röhler ist noch nicht am Ende seiner Mission. „Speerwerfer sind nie fertig“, lautet einer seiner Lieblingssätze: „Selbst wenn ich 100 Meter werfe, ist das Stadion immer noch lang genug.“