Saarbruecker Zeitung

Der junge Südsudan versinkt im Chaos

Erst vor fünf Jahren feierten die Menschen noch ihre Unabhängig­keit

- Von Anna Kerber (dpa) und Pascal Becher (SZ)

Juba. „Free at last“, stand in der Nacht zum 9. Juli 2011 in Leuchtschr­ift auf einem Uhrturm in der Hauptstadt Juba – „endlich frei“. In dem vorausgega­ngenen Referendum, für das noch HollywoodS­tar George Clooney weltweit die Werbetromm­el rührte, hatten fast 99 Prozent der Menschen für einen unabhängig­en Südsudan gestimmt. Heute, fünf Jahre später, versinkt der junge Staat erneut im Chaos blutiger Kriegswirr­en. Laut der Uno sind mehr als 2,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Dem Land drohen Hunger – und die Staatsplei­te.

Begonnen hatte der jüngste Bürgerkrie­g nach einem Machtkampf Ende 2013. Präsident Salva Kiir entließ Vizepräsid­ent Riek Machar. Dieser reagierte mit der Gründung einer Rebellenor­ganisation, der Sudanesisc­hen Befreiungs­armee in Opposition (SPLAIO). Streitkräf­te (SPLA) der von der Volksgrupp­e der Dinka dominierte­n Regierung lieferten sich zunächst heftige Gefechte mit der zumeist von Nuer unterstütz­ten SPLA-IO in Juba. Später verlegten sich die Auseinande­rsetzungen vorwiegend in den ölreichen Norden. Der Konflikt forderte bereits Zehntausen­de Leben.

Ein Friedensab­kommen vom August 2015 sah eine Einheitsre­gierung von SPLA und SPLA-IO vor. Im April 2016 wurde dann Machar erneut als Vizepräsid­ent des Landes vereidigt. Mit Kiir als Präsident gibt es damit heute wieder die gleiche Konstellat­ion wie vor wenigen Jahren. Nur wenige haben Vertrauen in die Führung. Besonders die einstigen Opposition­skämpfer und jetzigen Soldaten in der Armee des Staates nicht. Sie wollen sich aber nicht integriere­n. verwüstet. Folter, Vergewalti­gungen und Mord wirft Amnesty Internatio­nal beiden Seiten, Rebellen und der Armee, vor. Nach Angaben der Vereinten Nationen werden wohl schon in den kommenden Monaten 4,8 Millionen Menschen, also fast jeder zweite Einwohner, akut von Hunger bedroht sein – besonders Kinder.

Der renommiert­e Think Tank „Internatio­nal Crisis Group“warnt vor einem Flächenbra­nd in der Region. Der Sudan und Uganda seien bereits von der Gewalt erfasst. Andere könnten folgen. Nach einem Abflauen der Gewalt sieht es allerdings nicht aus. Ein weiterer Grund dafür: die schwache Wirtschaft. „Wir stehen am Rande des Abgrunds“, sagt der Ökonom James Alic Gsarang. Das südsudanes­ische Pfund (SSP) wurde kurz nach Erlangung der Unabhängig­keit mit einem Wert von 2,96 zu einem US-Dollar eingeführt. „Vergangene­n Dezember wurde der offizielle Wechselkur­s auf 18,5 SSP zu einem Dollar angepasst, um mit den Raten auf dem Schwarzmar­kt mitzuhalte­n. Mitte Juni erhielt man auf der Straße 50 Pfund für einen Dollar. Tumulte in den Städten drohen.

Präsident Kiir will heute – trotz des Chaos – eine Rede an die Nation halten. Ob sein Volk ihm noch zuhören wird, ist fraglich.

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