Kaiser Nero – Mensch oder Unmensch?
Der römische Mythos im Rheinischen Landesmuseum in Trier
774 Exponate aus 21 Ländern auf 2000 Quadratmetern. Die Trierer Ausstellung „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ist ein Ereignis. Drei Museen widmen sich dem mythenumrankten Kaiser: das Museum am Dom, das Stadtmuseum Simeonsstift und das Rheinische Landesmuseum. Dessen Schau stellen wir heute vor.
Trier. Der Aufwand und die Kosten – 2,3 Millionen Euro – zahlen sich aus: Die Trierer Sonderschau „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“zählt schon über 50 000 Zuschauer und hofft bis zum Ende am 16. Oktober auf 150 000 Interessierte. Die Resonanz auf Inhalt und Gestaltung ist auch gut, „Die Welt“etwa spricht von einer „der wichtigsten kulturhistorischen Ausstellungen des Jahres in Europa“.
Gleich drei Museen widmen sich dem bis heute umstrittenen Nero (37 bis 68 nach Christus) mit insgesamt 774 Exponaten aus 21 Ländern. Das Museum am Dom behandelt die Christenverfolgung unter Nero und seinen Nachfolgern, das Stadtmuseum Simeonstift zeigt, in der buntesten Schau des Trios, welche Spuren der Mythos Nero in der Kunstgeschichte hinterlassen hat (wir berichteten); plant man als Trier-Besucher nun, sich bei einem Tagesausflug alle drei Schauen anzuschauen, sollte man im Rheinischen Landesmuseum beginnen: Dort zeichnen in 14 Räumen über 400 prächtige Exponate in abwechslungsreich gestalteten Räumen das Leben Neros nach. Besucher, die in römischer Geschichte weniger firm sind, werden nicht allein gelassen: Schon im Treppenhaus des Museums skizzieren Daten an der Wand die wichtigsten Eckpunkte im Leben Neros, deren Vorgänger im ersten Raum der Schau gewürdigt werden und Nero historisch sozusagen einbetten.
Ab dem zweiten Saal geht es ganz um Nero und um seine ungebremst machtgierige Mutter Agrippina – im römischen Intrigantenstadl gelang es ihr (unter anderem durch die Ehe mit ihrem Onkel Claudius und der Vergiftung desselben), ihren einzigen Sohn als Kaiser zu installieren. Dessen erste Regierungsjahre gelten, Neros Ruf als Narziss und Sadist zum Trotz, harmonisch, nicht zuletzt durch den Einfluss von Neros Berater, des Philosophen Seneca. Der Kaiser, so scheint es, wusste, was das Volk will: Er baute Kaufhäuser für den Konsum und finanzierte spektakuläre Wagenrennen zur Unterhaltung.
Saus, Braus, Brand Sich selbst gönnte Nero standesgemäßen BestverdienerLebensstandard: In Trier kann man, unter anderem, ein exzellent erhaltenes Weinglas aus geschliffenem Bergkristall sehen, das Nero für Unsummen in Auftrag gab, zelebrierte er Saus und Braus doch gerne stilvoll. Kein Wunder also, dass sein Nachfolger Vespasian erst einmal den ruinierten Staatshaushalt sanieren musste. Unstrittig ist, dass Nero, der wenig Zimperliche, seine Mutter ermorden ließ (beim zweiten Anschlag klappte es dann) und seinem Berater Seneca den Selbstmord befahl. Aber die große Frage ist: Hat Nero im Juli 64 nun Rom niedergebrannt oder nicht? Die Ausstellung argumentiert dagegen, schließlich ist dem Feuer auch Neros geliebte Kunstsammlung zum Opfer gefallen – und, anders als im Film „Quo vadis?“fälschlicherweise verewigt, war Nero beim Brand gar nicht in Rom. Zu sehen in Trier sind Funde vom Brandort, während eine BildschirmAnimation zeigt, wie sich das Feuer neun Tage lang durch die Stadt fraß.
Ein Raum widmet sich Neros Liebe zu Griechenland: 16 Monate verbrachte er dort, die Staatsgeschäfte hatte er delegiert, und nahm an allerlei Wettkämpfen teil, ob als Sänger, Wagenlenker oder Diskuswerfer. Gewonnen hat er alle – einem Kaiser, der unter anderem seine Mutter hat umbringen lassen, wollte im Wettkampf wohl niemand die gute Laune verderben, aus eigenem Interesse. 1808 goldene Lorbeerkränze brachte er aus der Provinz Griechenland zurück, der er schließlich die Freiheit schenkte – eine Idee, die im römischen Senat weniger gut ankam. Zu sehen ist hier eine Steinplatte aus Theben mit einer salbungsvollen, leicht schwülstigen Rede des Griechenland-Liebhabers, der sich in Rom immer mehr von den Regierungsgeschäften ab- und den schönen Künsten zuwandte; die ersten Revolten begannen, schließlich wurde Nero zum vogelfreien Staatsfeind erklärt und nahm sich auf der Flucht das Leben. Das Ende des „Künstler-Kaisers“.
Aller Morde und vor allem der Christenverfolgung zum Trotz, die Nero als Ablenkungsmanöver losbrechen ließ, um vom Verdacht abzulenken, er habe mit dem Brand Roms zu tun: Das jahrhundertealte Bild von Nero als Narziss, Sadist und Wahnsinnigen erhält in Trier eine leichte Korrektur. Der politische Mord war in Rom ein gängiges Mittel des Machterhalts, das Neros Vorgänger und Nachfolger öfter einsetzten als er. Ob Nero gerne Kaiser war, gerne einen Staat lenkte? Es scheint, als hätten ihm, dem Sänger, Kunstfreund und Wasser-Orgel-Konstrukteur, auch einfach Luxus, Kultur, gutes Essen und Mittelmeersonne zum Leben gereicht – wem nicht? Das macht den Kaiser mit dem unmenschlichen Ruf ziemlich menschlich.