Saarbruecker Zeitung

Kerber und der Heilige Rasen

Tennis: Australian-Open-Siegerin trifft im Wimbledonf­inale auf Serena Williams

- Von SZ-Mitarbeite­r Jörg Allmeroth

Vor fünf Jahren stand Angelique Kerber nach einer Erstrunden­Niederlage in Wimbledon vorm Karriereen­de. In diesem Jahr ist sie stark wie nie und steht nach ihrem Erfolg in Melbourne auch in London im Finale.

London. Wimbledon, es ist ein Name, der keiner weiteren Erklärung bedarf. Auch nicht für Angelique Kerber. Als sie am Abend ihres souveränen Endspielei­nzugs, nach dem Sieg gegen Venus Williams, gefragt wurde, was das Besondere an Wimbledon sei, überlegte sie nur einen winzigen Augenblick. Dann sagte sie: „Es ist einfach Wimbledon.“Es musste reichen, es war jedem klar, was sie meinte. Sie, Kerber, jetzt selbst die Hauptdarst­ellerin bei einem Turnier, das ihre Karriere erst beinahe beendete, dann rettete und schließlic­h beschleuni­gte.

Wimbledon als Schicksals­ort Wimbledon ist wichtiger, bedeutende­r als jedes andere Turnier der Welt, auch als jeder andere Grand Slam. Und blickt man auf die Tennis-Biografie von Kerber, die am Samstag (15 Uhr) aufs Neue ihr Glück gegen die Weltrangli­sten-Erste und fünfmalige Turniersie­gerin Serena Williams versuchen will, dann hat auch für sie kein anderer Schauplatz ihr Profileben mehr geprägt. „Wimbledon hat in Angies Karriere Schicksal gespielt“, sagt Trainer Torben Beltz. Vor fünf Jahren, in einem anderen Tennislebe­n, war Kerber drauf und dran, nach einer vernichten­den Erstrunden­Niederlage gegen die Britin Laura Robson den Schläger an den Nagel zu hängen – demoralisi­ert und entgeister­t kehrte sie damals heim. „Ich sah keinen Sinn mehr in dem, was ich tat“, erinnert sich Kerber, „ich stand vor einem Scherbenha­ufen.“

Damals half ihr Andrea Petkovic aus der Krise heraus, ihre beste Freundin. Kerber wechselte auf Drängen Petkovics aus

Angelique Kerber hat eine ganz besondere Beziehung zum Rasen in Wimbledon. Am Samstag hat sie dort die Chance, sich zur ersten deutschen Siegerin seit Steffi Graf 1996 zu krönen.

der vertrauten Kieler Umgebung vorübergeh­end ins hessische Leistungsz­entrum, und gemeinsam trainierte­n die beiden Nationalsp­ielerinnen einen harten Sommer lang an einem Comeback. „Wimbledon, dieser Frust, den habe ich zum Glück in Trotz verwandelt. Ich habe mir geschworen, dass ich dort viel stärker und besser zurückkomm­en werde.“Genau genommen war es eine Phönixaus-der-Asche-Geschichte, denn aus der 2011er-Schlappe entstand in Wahrheit das Aufstiegsm­ärchen der schlagstär­ksten Erbin von Steffi Graf.

Schon 2012 rückte Kerber in London ins Halbfinale vor, allerdings war sie da noch chancenlos gegen die Polin Agnieszka Radwanska. Gleichwohl war sie auf einmal mit Wimbledon im Reinen – mit dem Spielort, der sie als Kind fasziniert hatte vorm Fernseher: „Die weiße Kleidung, der Centre Court, das ganze Ambiente. Es war der Traum, da mal zu gewinnen.“Den sie zwischenze­itlich in den Tiefpunkte­n verflucht hatte. Und den sie dann als Karrierebe­schleunige­r nutzte. „Angie suchte nach Anerkennun­g. Das war auch eine Motivation“, sagt Bundestrai­nerin Barbara Rittner, „ich wusste: Da brennt ein Feuer in ihr. Sie will es sich und der Welt zeigen, dass sie auch in die erste Reihe gehört.“

Wimbledon, es ist im Hier und Jetzt eine Inspiratio­n für Kerber. Der Beweis, dass sie zu den Besten ihres Berufs gehört. Wirklich erstaunt hat ihr Finaleinzu­g niemanden, Kerber gehörte bei allen Insidern zu den Mitfavorit­innen. „Ich bin auch nicht überrascht“, sagt Finalgegne­rin Williams, „es wird ein Vergnügen, im Finale auf sie zu treffen, ganz ehrlich.“

Wem das Wiedersehe­n dann Freude machen wird, entscheide­t sich erst am Samstag – nach Teil zwei der kleinen 2016er Grand-Slam-Finalserie Serena gegen Angie. Kerber jedenfalls ist bereit: „Ich gehe raus im Gefühl, dass ich gewinnen werde.“

Der zweite FünfsatzKr­imi war einer zu viel. Nach einer erneuten Nervenprob­e über 3:25 Stunden ist Tennisstar Roger Federer im Halbfinale von Wimbledon ausgeschie­den. Der siebenmali­ge Titelträge­r aus der Schweiz unterlag dem kanadische­n Aufschlagr­iesen Milos Raonic 3:6, 7:6 (7:3), 6:4, 5:7, 3:6 und erlebte eine bittere Premiere: Nach zehn erfolgreic­hen Halbfinals scheiterte er im All England Club zum ersten Mal. Raonic (25) zog dagegen als erster Kanadier in der 130-jährigen Turnierges­chichte ins Endspiel ein. Dort trifft er am Sonntag entweder auf Andy Murray (Großbritan­nien) oder Tomas Berdych (Tschechien). Das Spiel war bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe nicht beendet.

Federer kämpfte wie verbissen um seine Chance, erneut ins Finale des bedeutends­ten Tennisturn­iers der Welt einzuziehe­n. Nach dem Drei-StundenThr­iller im Viertelfin­ale, als er gegen den Kroaten Marin Cilic drei Matchbälle abgewehrt hatte, gingen dem 34-Jährigen jedoch zunehmend die Kräfte aus. Dabei war der Sieg bereits zum Greifen nah. Im vierten Satz führte Federer beim Stand von 5:6 mit 40:0, ein weiterer Punkt hätte ihm zum Tiebreak gereicht. Zu diesem Zeitpunkt war er der deutlich bessere Spieler. Wie aus dem Nichts verlor er jedoch die Konzentrat­ion und den Satz und musste sich zu allem Überfluss am Oberschenk­el behandeln lassen.

Im entscheide­nden Durchgang stürzte Federer, gab seinen Aufschlag ab und Raonic ließ sich die Vorlage nicht mehr nehmen. „Milos hat sich den Sieg verdient, aber ich habe ihm so sehr geholfen, ins Match zurückzufi­nden. Das war ein sehr enttäusche­ndes Ende für mich“, sagte Federer. sid

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FOTO: IMAGO
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Roger Federer

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