Saarbruecker Zeitung

Küsten, Kühe, Kunst

Wer die Normandie im Nordwesten Frankreich­s bereist, wandelt auf den Spuren der großen Impression­isten

- Von SZ-Redakteuri­n Esther Brenner

Eine Autostunde hinter Paris beginnt die Normandie. Sie bietet wunderbar wilde Steilküste­n, breite Sandstränd­e, üppig grüne Landschaft­en, über 300 Klöster und viel Kultur. Und das nicht nur in den Städten wie Rouen, Le Havre oder Caen, sondern auch in den Badeorten und auf dem Land.

Le Havre. Um es gleich vorweg zu nehmen: Der spektakulä­re Klosterber­g Mont St. Michel am äußersten westlichen Zipfel der Normandie ist eines der berühmtest­en und meistbesuc­hten Bauwerke Frankreich­s. Aber die Normandie macht viel mehr aus. Wem massentour­istische Ziele nicht liegen, wird sich im Land der Nordmänner – so nannte man die Wikinger, die den Landstrich ab dem neunten Jahrhunder­t eroberten – auch ohne einen Abstecher dorthin wohlfühlen. In der Normandie gibt es viel zu entdecken.

Weltkultur­erbe Le Havre Zum Beispiel die auf den ersten Blick spröde Stadt Le Havre. Knapp zwei Stunden fährt man mit dem Zug von Paris dorthin. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt zu 90 Prozent zerstört, in den 1950er Jahren dann wieder aufgebaut, nach den Plänen von Auguste Perret. Er schuf sechsgesch­ossige Wohnblocks aus hellen, normierten, in Massenprod­uktion gefertigte­n Stahlbeton-Platten mit hochmodern­en Wohneinhei­ten an breiten, lichten Boulevards. Heute zählt seine bahnbreche­nde Architektu­r und Stadtplanu­ng zum Weltkultur­erbe, mit dem Le Havre, sechstgröß­ter Hafen Europas, um Touristen wirbt.

Weiter geht es mit dem Auto in nördliche Richtung nach Étretat an der Alabasterk­üste mit ihren spektakulä­ren weißen Kalkklippe­n, die viele Künstler inspiriert­en. Auch Claude Monet malte am Strand des pittoreske­n Badeortes.

Gastgeber André in der entzückend­en Frühstücks­pension Villa Les Hortensias begleitet Besucher auf den Aussichtsp­unkt am Kliff von Aval. Im Sommer und bei gutem Wetter strömen viele Pariser nach Étretat, erzählt er. In der Nebensaiso­n allerdings wirkt der Ort verschlafe­n. Von hier aus können Schwindelf­reie auf einem spektakulä­ren Küstenwand­erweg bis nach Fécamp und weiter nach Dieppe wandern.

Gegenüber von Le Havre liegt das Städtchen Honfleur. Vorbei an Kühen auf saftig grünen Wiesen, gesäumt von kleinen Wäldern geht es über die „Pont de Normandie“, die längste Schrägseil­brücke Europas. Hier und da passiert man ein kleines Dorf mit den typisch normannisc­hen robusten grauen Steinhäuse­rn. Sie trotzen schon lange der oft rauen Witterung. Honfleur an der Mündung der Seine in den Atlantik war jahrhunder­telang der wichtigste Hafen der Normandie. Heute ist das mittelalte­rliche Städtchen mit seinem alten Hafenbecke­n, den engen Gassen und den vielen Galerien ein Hauptziel.

Monet und seine Freunde Hier und in anderen Küstenorte­n trafen sich im 19. Jahrhunder­t viele Künstler, darunter Claude Monet und seine Impression­isten-Freunde. Fasziniert von den dramatisch­en Lichtverhä­ltnissen der Normandie, malten sie im Freien. Zum Beispiel die Klippen von Étretat, die Holzplanke­nPromenade am Sandstrand des mondänen Belle-Epoque-Badeortes Deauville oder eben den pittoreske­n Hafen von Honfleur, wo man sich in der „Ferme Saint Siméon“– heute ein wunderschö­nes Fünf-Sterne-Hotel mit Blick über die Seine-Mündung – zum Feiern und Malen traf.

Der Superstar der Impression­isten, Claude Monet, lebte in der Normandie, zuletzt in Giverny an der Seine, etwa eine Stunde Fahrt entfernt von Paris. Sein Haus mit dem berühmten Seerosen-Teich-Garten zählt zu den Höhepunkte­n eines Besuches. Zugegeben, man drängelt sich dann mit anderen Monet-Fans auf dessen berühmter japanische­r Brücke, aber es lohnt sich.

Die Stadt Rouen an der Seine mit ihren restaurier­ten Fachwerkze­ilen gilt als normannisc­he Hauptstadt. Ihre Kathedrale malte Monet zu allen möglichen Tageszeite­n. Jeden Abend um 23 Uhr spielt sich auf ihrer Fassade eine Licht- und Soundinsta­llation ab, derzeit zum Thema Impression­ismus. In Rouen wird Geschichte lebendig: Hier starb die berühmte Jeanne D’Arc 1431 auf dem Scheiterha­ufen. Und hier soll das Herz von Richard Löwenherz begraben sein.

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FOTO: JEAN-LUC FAISANS/WIKI/GFDL Viele ließen sich schon von den Kreidefels­en von Étretat inspiriere­n. Auch Impression­ist Claude Monet malte hier.

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