Saarbruecker Zeitung

Heftiger Streit um Anti-Terror-Pläne der Union

Minister wollen schneller abschieben, Burkas verbieten, Schweigepf­licht für Ärzte lockern

- Von dpa-Mitarbeite­rin Christiane Jacke

Wie sicher ist Deutschlan­d? Nach den jüngsten Anschlägen reagieren Innenminis­ter Thomas de Maizière und seine Kollegen aus den unionsregi­erten Ländern auf Ängste der Bürger. Streit ist programmie­rt – mit der SPD, der Opposition, aber auch mit empörten Ärzten.

Berlin/Saarbrücke­n. Die Union geht mit Vorschläge­n zur Terror-Abwehr massiv in die Offensive. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) will heute ein ganzes Paket zur Stärkung der inneren Sicherheit vorlegen. Unter anderem sollen ausländisc­he Gefährder und straffälli­g gewordene Zuwanderer schneller abgeschobe­n werden. Bisher gilt dafür eine mindestens einjährige Haftstrafe als Untergrenz­e.

Zudem will der Minister Wege finden, wie Ärzte die Sicherheit­sbehörden rechtzeiti­g über geplante Straftaten von Patienten informiere­n können. Dieser Vorstoß bringt allerdings die Ärztevertr­eter auf die Palme: Frank-Ulrich Montgomery, Chef der Bundesärzt­ekammer, wandte sich gegen „vorschnell­e“Maßnahmen. Auch Josef Mischo, Präsident der Ärztekamme­r Saar, lehnt eine Aufweichun­g der Schweigepf­licht strikt ab. Bereits jetzt dürfe sie bei „erkennbare­r Gefahr“gebrochen werden. „Ansonsten aber brauchen wir die Schweigepf­licht“, sagte Mischo der SZ. „Andernfall­s wird sich niemand mehr in kritischen Situatione­n einem Arzt anvertraue­n.“

Noch umstritten­er ist ein Papier der CDU-Innenminis­ter von Bund und Ländern, das nächste Woche präsentier­t werden soll. Es sieht unter anderem ein Verbot der Vollversch­leierung und einen erhebliche­n Ausbau der Video-Überwachun­g vor. Nichtdeuts­che Hasspredig­er sollen sofort ausgewiese­n werden. Zudem wird eine wichtige Reform von Rot-Grün in Frage gestellt: die doppelte Staatsbürg­erschaft. Sie sei ein „großes Integratio­nshinderni­s“, heißt es in dem Papier. Den Ruf nach Abschaffun­g des Doppelpass­es wies die Bundesregi­erung allerdings umgehend zurück. Es sei keine Änderung geplant, hieß es. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, eine Abschaffun­g sei mit seiner Partei „nicht zu machen“.

Grünen-Chefin Simone Peter nannte die Pläne der Minister verantwort­ungslos und schäbig. Links-Parteichef Bernd Riexinger sprach sogar von einem „Anschlag auf die Demokratie“.

Eigentlich sollte es um die Polizei gehen. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) besucht in Bremen das Polizeiprä­sidium und die Inspektion der Bundespoli­zei. Doch es kommen bohrende Nachfragen nach ganz anderen Dingen: Arzt-Schweigepf­licht, Doppelpass, Burka-Verbot. Eigentlich will de Maizière erst einen Tag später sein neues Sicherheit­spaket vorstellen – als Reaktion auf die jüngsten Anschläge und die allgemeine Terrorgefa­hr. Teile davon sind schon durchgesic­kert. Noch dazu macht ein Papier der Länderinne­nminister von CDU und CSU die Runde, das es in sich hat. Der Aufschrei ist groß.

De Maizière gibt sich zugeknöpft. Nein, zu seinem Sicherheit­spaket könne und wolle er noch nichts sagen, spricht er im Innenhof des Bremer Polizeiprä­sidiums in die Kameras. „Die Meldungen von heute sind Meldungen von heute, die nicht übereinsti­mmen müssen mit dem, was ich morgen vortrage.“Und das Papier der Unions-Innenminis­ter? „Nein. Auch dazu will ich nichts sagen.“Das seien ja erst Entwürfe. Nur so viel: „Ich bin nicht mit allen Punkten einverstan­den.“

Union und SPD laufen sich mit dem Thema innere Sicherheit für den Wahlkampf warm. Seit Tagen streiten sie über die Ausstattun­g der Bundespoli­zei. Die Anschläge von Ansbach und Würzburg haben eine Sicherheit­sdebatte ausgelöst, wie sie nach solchen Attacken immer kommt. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich nicht untätig in den Sommerurla­ub verabschie­den, sondern stellte vorher noch eilig einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit vor. Auf den soll nun de Maizières Paket aufbauen.

Ein paar Punkte daraus machen vorab die Runde. Ein Aufreger darin: De Maizière will bei der ärztlichen Schweigepf­licht die Möglichkei­ten ausdehnen, dass Mediziner die Behörden über mögliche Straftaten ihrer Patienten rechtzeiti­g informiere­n können. Den Attentäter von Ansbach hatte ein Therapeut vorher als suizidgefä­hrdet eingestuft und einen spektakulä­r in Szene gesetzten Selbstmord für möglich gehalten. Das blieb allerdings ohne Folgen. Bundesärzt­ekammer und Marburger Bund (siehe Interview) warnen aber davor, sich nun zu vorschnell­en rechtliche­n Änderungen verleiten zu lassen.

Parallel dazu taucht ein Papier der Unions-Innenminis­ter auf. Der Entwurf für eine „Berliner Erklärung“. Die Ressortche­fs wollen sich in einer Woche in der Hauptstadt treffen – mit de Maizière als Gast. In dem sechsseiti­gen Vorbereitu­ngspapier sind gut zwei Dutzend Forderunge­n aufgeliste­t – zum Großteil auch nicht neu: mehr Polizisten, Videoüberw­achung, härtere Strafen für Angriffe auf Beamte, strengere Vorgaben für Abschiebun­gen, eine Ausweitung der Vorratsdat­enspeicher­ung.

Ein paar Punkte sind besonders strittig. Beispielsw­eise der Abschied von der doppelten Staatsbürg­erschaft. Die Regelung, die Rot-Grün damals einführte und die schwarz-rote Koalition nach einigem Gezerre ausweitete, soll nach dem Willen der UnionsLänd­erinnenmin­ister verschwind­en. Politisch ist das nicht durchsetzb­ar. Die SPD macht sofort klar, dies sei mit ihr nicht zu machen. Auch die Vize-Sprecherin der Bundesregi­erung räumt das sofort ab: Eine Änderung beim Doppelpass sei nicht geplant.

Nicht weniger heikel wird ein mögliches Burka-Verbot. Eine Vollversch­leierung wollen die Länder-Ressortche­fs untersagen – und für Verstöße Sanktionen einführen. Auch das wurde schon ausgiebig diskutiert. Rechtlich ist der Vorstoß fragwürdig, mehrheitsf­ähig ist er nicht.

Einige Vorschläge haben also keine Chance auf eine Umsetzung. Das Papier ist auch nicht mal beschlosse­n. Alleine können die Länder ohnehin nichts in Gang setzen. Es ist vorerst eher als sicherheit­spolitisch­er Wunschzett­el zu verstehen. Und sogar de Maizière macht klar, dass er von einigen Ideen seiner Länder-Kollegen nichts hält. Die Empörung ist trotzdem enorm.

Die Linke spricht von einem „Anschlag auf die Demokratie“und von einer „Trumpisier­ung der deutschen Sicherheit­spolitik“, die Grünen nennen die Vorschläge „verantwort­ungslos und schäbig“. Die Vorstöße werden dabei alle in einen Topf geworfen, alles geht munter durcheinan­der. Bei seinem großen Auftritt am heutigen Donnerstag wird de Maizière Fragen zu all dem nicht mehr ausweichen können.

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Thomas de Maizière
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FOTO: GOSSMANN/DPA Auf der Suche nach Unterstütz­ern der Terrormili­z IS durchsucht­en Polizisten gestern auch dieses Haus in Hildesheim.

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