Heftiger Streit um Anti-Terror-Pläne der Union
Minister wollen schneller abschieben, Burkas verbieten, Schweigepflicht für Ärzte lockern
Wie sicher ist Deutschland? Nach den jüngsten Anschlägen reagieren Innenminister Thomas de Maizière und seine Kollegen aus den unionsregierten Ländern auf Ängste der Bürger. Streit ist programmiert – mit der SPD, der Opposition, aber auch mit empörten Ärzten.
Berlin/Saarbrücken. Die Union geht mit Vorschlägen zur Terror-Abwehr massiv in die Offensive. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will heute ein ganzes Paket zur Stärkung der inneren Sicherheit vorlegen. Unter anderem sollen ausländische Gefährder und straffällig gewordene Zuwanderer schneller abgeschoben werden. Bisher gilt dafür eine mindestens einjährige Haftstrafe als Untergrenze.
Zudem will der Minister Wege finden, wie Ärzte die Sicherheitsbehörden rechtzeitig über geplante Straftaten von Patienten informieren können. Dieser Vorstoß bringt allerdings die Ärztevertreter auf die Palme: Frank-Ulrich Montgomery, Chef der Bundesärztekammer, wandte sich gegen „vorschnelle“Maßnahmen. Auch Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer Saar, lehnt eine Aufweichung der Schweigepflicht strikt ab. Bereits jetzt dürfe sie bei „erkennbarer Gefahr“gebrochen werden. „Ansonsten aber brauchen wir die Schweigepflicht“, sagte Mischo der SZ. „Andernfalls wird sich niemand mehr in kritischen Situationen einem Arzt anvertrauen.“
Noch umstrittener ist ein Papier der CDU-Innenminister von Bund und Ländern, das nächste Woche präsentiert werden soll. Es sieht unter anderem ein Verbot der Vollverschleierung und einen erheblichen Ausbau der Video-Überwachung vor. Nichtdeutsche Hassprediger sollen sofort ausgewiesen werden. Zudem wird eine wichtige Reform von Rot-Grün in Frage gestellt: die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie sei ein „großes Integrationshindernis“, heißt es in dem Papier. Den Ruf nach Abschaffung des Doppelpasses wies die Bundesregierung allerdings umgehend zurück. Es sei keine Änderung geplant, hieß es. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, eine Abschaffung sei mit seiner Partei „nicht zu machen“.
Grünen-Chefin Simone Peter nannte die Pläne der Minister verantwortungslos und schäbig. Links-Parteichef Bernd Riexinger sprach sogar von einem „Anschlag auf die Demokratie“.
Eigentlich sollte es um die Polizei gehen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) besucht in Bremen das Polizeipräsidium und die Inspektion der Bundespolizei. Doch es kommen bohrende Nachfragen nach ganz anderen Dingen: Arzt-Schweigepflicht, Doppelpass, Burka-Verbot. Eigentlich will de Maizière erst einen Tag später sein neues Sicherheitspaket vorstellen – als Reaktion auf die jüngsten Anschläge und die allgemeine Terrorgefahr. Teile davon sind schon durchgesickert. Noch dazu macht ein Papier der Länderinnenminister von CDU und CSU die Runde, das es in sich hat. Der Aufschrei ist groß.
De Maizière gibt sich zugeknöpft. Nein, zu seinem Sicherheitspaket könne und wolle er noch nichts sagen, spricht er im Innenhof des Bremer Polizeipräsidiums in die Kameras. „Die Meldungen von heute sind Meldungen von heute, die nicht übereinstimmen müssen mit dem, was ich morgen vortrage.“Und das Papier der Unions-Innenminister? „Nein. Auch dazu will ich nichts sagen.“Das seien ja erst Entwürfe. Nur so viel: „Ich bin nicht mit allen Punkten einverstanden.“
Union und SPD laufen sich mit dem Thema innere Sicherheit für den Wahlkampf warm. Seit Tagen streiten sie über die Ausstattung der Bundespolizei. Die Anschläge von Ansbach und Würzburg haben eine Sicherheitsdebatte ausgelöst, wie sie nach solchen Attacken immer kommt. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich nicht untätig in den Sommerurlaub verabschieden, sondern stellte vorher noch eilig einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit vor. Auf den soll nun de Maizières Paket aufbauen.
Ein paar Punkte daraus machen vorab die Runde. Ein Aufreger darin: De Maizière will bei der ärztlichen Schweigepflicht die Möglichkeiten ausdehnen, dass Mediziner die Behörden über mögliche Straftaten ihrer Patienten rechtzeitig informieren können. Den Attentäter von Ansbach hatte ein Therapeut vorher als suizidgefährdet eingestuft und einen spektakulär in Szene gesetzten Selbstmord für möglich gehalten. Das blieb allerdings ohne Folgen. Bundesärztekammer und Marburger Bund (siehe Interview) warnen aber davor, sich nun zu vorschnellen rechtlichen Änderungen verleiten zu lassen.
Parallel dazu taucht ein Papier der Unions-Innenminister auf. Der Entwurf für eine „Berliner Erklärung“. Die Ressortchefs wollen sich in einer Woche in der Hauptstadt treffen – mit de Maizière als Gast. In dem sechsseitigen Vorbereitungspapier sind gut zwei Dutzend Forderungen aufgelistet – zum Großteil auch nicht neu: mehr Polizisten, Videoüberwachung, härtere Strafen für Angriffe auf Beamte, strengere Vorgaben für Abschiebungen, eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung.
Ein paar Punkte sind besonders strittig. Beispielsweise der Abschied von der doppelten Staatsbürgerschaft. Die Regelung, die Rot-Grün damals einführte und die schwarz-rote Koalition nach einigem Gezerre ausweitete, soll nach dem Willen der UnionsLänderinnenminister verschwinden. Politisch ist das nicht durchsetzbar. Die SPD macht sofort klar, dies sei mit ihr nicht zu machen. Auch die Vize-Sprecherin der Bundesregierung räumt das sofort ab: Eine Änderung beim Doppelpass sei nicht geplant.
Nicht weniger heikel wird ein mögliches Burka-Verbot. Eine Vollverschleierung wollen die Länder-Ressortchefs untersagen – und für Verstöße Sanktionen einführen. Auch das wurde schon ausgiebig diskutiert. Rechtlich ist der Vorstoß fragwürdig, mehrheitsfähig ist er nicht.
Einige Vorschläge haben also keine Chance auf eine Umsetzung. Das Papier ist auch nicht mal beschlossen. Alleine können die Länder ohnehin nichts in Gang setzen. Es ist vorerst eher als sicherheitspolitischer Wunschzettel zu verstehen. Und sogar de Maizière macht klar, dass er von einigen Ideen seiner Länder-Kollegen nichts hält. Die Empörung ist trotzdem enorm.
Die Linke spricht von einem „Anschlag auf die Demokratie“und von einer „Trumpisierung der deutschen Sicherheitspolitik“, die Grünen nennen die Vorschläge „verantwortungslos und schäbig“. Die Vorstöße werden dabei alle in einen Topf geworfen, alles geht munter durcheinander. Bei seinem großen Auftritt am heutigen Donnerstag wird de Maizière Fragen zu all dem nicht mehr ausweichen können.