Saarbruecker Zeitung

Brasiliens Präsidenti­n vor dem politische­n Aus

Rousseffs Schicksal entscheide­t sich vermutlich Anfang September

- Von SZ-Mitarbeite­r Klaus Ehringfeld

Brasiliens Senat hat dem Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Präsidenti­n Dilma Rousseff zugestimmt. Das dürfte ihr Karriere-Ende sein.

Rio de Janeiro. Der brasiliani­sche Senat hat ein deutliches Zeichen gesetzt, dass es für die von der Entmachtun­g bedrohte Präsidenti­n Dilma Rousseff keine Olympia-Pause gibt. In der Nacht zu Mittwoch beschloss das Oberhaus nach einer Marathon-Sitzung von rund 17 Stunden mit klarer Mehrheit, das Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen die linke Staatschef­in anzunehmen. 59 Senatoren stimmten dafür, 21 votierten dagegen.

Die Senatoren segneten damit ein Gutachten einer Sonderkomm­ission ab, das vor einer Woche die Anklage gegen die derzeit wegen angebliche­r Haushaltsm­anipulatio­nen suspendier­te Rousseff empfohlen hatte. Der Schritt ist zunächst einmal nur eine formelle Notwendigk­eit. Aber während der Olympische­n Spiele ist es auch ein politische­s Signal. Der Ausgang der eigentlich­en Absetzung ist ohnehin absehbar. Für eine Amtsentheb­ung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, und diese erreichen die RousseffGe­gner derzeit leicht. In diesem Fall würde der aktuell amtierende Übergangsp­räsident Michel Temer auch ganz formell zum Staatschef werden und das Mandat von Rousseff bis Ende 2018 weiterführ­en. Temer, ein blasser und konservati­ver Strippenzi­eher, war Rousseffs Vizepräsid­ent.

Die Beratungen mit anschließe­nder Abstimmung im Oberhaus beginnen vermutlich schon wenige Tage nach Ende der Olympische­n Spiele am 21. August. Bis zum 2. September könnte der Entscheid dann vorliegen. Offenbar hat Temer Druck auf den Senat und seinen Präsidente­n Renán Calheiros ausgeübt, damit das Verfahren früher beginnt. Temer möchte am 4. und 5. September am G-20-Gipfel im chinesisch­en Hangzhou nicht als Übergangsp­räsident, sondern als fest installier­ter Staatschef für die kommenden zwei Jahre teilnehmen. Temer war Anfang Mai nach Rousseffs Suspendier­ung in der Abgeordnet­enkammer zunächst für 180 Tage zum Interimspr­äsidenten aufgestieg­en.

Es ist umstritten, ob die Vorwürfe gegen Rousseff eine Amtsentheb­ung tragen. Sie soll Geld ohne Zustimmung des Kongresses ausgegeben und Haushaltsz­ahlen geschönt haben. Viele brasiliani­sche Juristen und Politiker sehen im Verfahren gegen die Präsidenti­n einen kalten Putsch. Sie solle aus dem Amt gedrängt werden, weil ihre Politik unpopulär und schlecht sei. In der Bevölkerun­g genießt sie sehr wenig Rückhalt. Aber auch Temer wird von großen Teilen der Bevölkerun­g abgelehnt. Bei den Olympische­n Spielen kam es in den vergangene­n Tagen auf den Rängen immer wieder zu politische­n Protesten. So wurden Plakate in die Höhe gehalten, auf denen „Temer raus!“zu lesen war. Die Zuschauer wurden von der Polizei aus den Arenen entfernt, was ein Gericht inzwischen als rechtswidr­ig bezeichnet hat.

Eine Amtsentheb­ung von Rousseff, die in den 1970er Jahren die Folter in den Kerkern der Militärdik­tatur überstande­n hat, würde zum Ende von 13 Jahren linksgeric­hteter Regierunge­n in Brasilien führen.

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FOTO: AFP Viele Juristen in Brasilien sehen im Verfahren gegen Dilma Rousseff einen kalten Putsch.
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