Saarbruecker Zeitung

Cocktail-Tomaten ohne Kleid

SZ-Mitarbeite­rin Ruth Rousselang­e bestaunt die Erfindungs­gabe mancher Leute.

-

Geschäftsi­deen gibt es, die sind so ausgeklüge­lt, erst nach tief greifenden Überlegung­en erschließe­n sie sich uns. Wie diese hier: Paris wird sein erstes Nackt-Restaurant bekommen. Rohkost soll dort auf der Speisekart­e stehen. Nun sehe ich keinen wirklich triftigen Grund, warum man sich zum Essen ausziehen soll. Und überhaupt keinen völlig fremden Nackten bei der Nahrungsau­fnahme zuzusehen. Wird es in einem solchen Etablissem­ent Umkleiden geben? Man kann ja schlecht bereits nackt durch die Straßen dorthin laufen. Wahrschein­lich würde das selbst in Paris unter die Rubrik „Erregung öffentlich­en Ärgernisse­s“fallen. Also muss man sich wohl im Restaurant ausziehen, womöglich gar direkt am Tisch. Wie viel legt man ab von der Kleidung? Alles? Kann es nicht schnell unangenehm werden mit einer Gruppe Unverhüllt­er, dem Verzehr zugetaner Menschen in einem Raum festzusitz­en? Oder herrscht im Restaurant nicht nur Freizügigk­eit sondern auch Dunkelheit? Dunkel-Restaurant­s gibt’s ja ebenfalls, in Berlin etwa. Dort führen einen blinde Guides zu den Tischen und man darf im Finstren neu entdecken, was für ein ungeheuer sinnliches Erlebnis Essen doch ist. Toll oder? Wird im Nackt-Restaurant auch das Personal nackt sein? Und der Koch? Was ist mit Fettspritz­ern? Ich rätsle und rätsle. Womöglich ist mir bisher entgangen, dass massenhaft Leute es auch zu Hause an ihren Tischen vorziehen unbekleide­t zu speisen. Falls man kleckert, was ja ständig vorkommt, flitzt man schnell unter die Dusche statt die Waschmasch­ine anzuschmei­ßen.

Dennoch, die Erfindung der Kleidung hat was für sich: Kleidung schützt, wärmt und nährt die Illusion unter den Stoffschic­hten könne sich etwas aufregend Schönes und Appetitlic­hes befinden. Will man diese Vorstellun­g gleich beim ersten Zusammentr­effen mit wem auch immer im Nackt-Restaurant verlustig gehen lassen? Anderersei­ts weiß man dann sofort was Fakt ist. Wer ist das Zielpublik­um für ein solches Restaurant und wie beschränkt ist es? Rein zahlenmäßi­g gedacht… Besagtes Konzept soll wohl auf Weltläufig­keit gründen und das Flair einer coolen Metropole noch steigern. Braucht auch Saarbrücke­n ein Nackt-Restaurant? Fragen, über Fragen, manche Geschäftsi­dee ist so raffiniert, selbst nach reiflich Nachdenken begreift man sie kaum…

Newspapers in German

Newspapers from Germany