Ritter, Grafen und ein Geschichts-Detektiv
Remigius Wüstner hat Bedeutendes über Ensheim herausgefunden
Von Odoaker dem Germanen über die Christianisierung von Metz aus bis hin zu erzwungenen Steinlieferungen nach Saarbrücken spannt Remigius den Bogen der Geschichte, die er über seinen Heimatort zu erzählen hat.
Ensheim. Remigius Wüstner ist 86 Jahre alt. Wenn es um die Wahrheit geht, ist ihm aber kein Weg zu weit. Etwa 80-mal war er im Archiv in Metz. Er hat unter anderem in Nancy und in St. Avold nach Spuren gesucht. Und er ist nach Prag gereist, um im dortigen Archiv die noch fehlenden Teile des großen Ensheim-Puzzles zu finden. Am Ende seiner Recherchen, sagt Wüstner und lächelt dabei verschmitzt, habe sich gezeigt: „Ensheim war ein Mittelpunkt.“
Aber was hat Prag mit Ensheim zu tun? In Prag, erklärt Wüstner, lagern viele der Dokumente, die die Mönche der Abtei Wadgassen mitgenommen haben, als sie vor der französischen Revolution in Richtung Osten flohen. Und die Abtei Wadgassen spielt eine große Rolle in der Geschichte Ensheims, sagt Wüstner.
Remigius Wüstner an seinem Schreibtisch in Ensheim.
Die Geschichte, die er zu erzählen hat, beginnt mit Odoaker dem Germanen. Dessen Sieg über die Römer im Jahr 476 habe auch für Ensheim eine neue Zeit eingeleitet. „Die Bewohner unseres geliebten Ortes mussten sich an merowingische Gesetze und Gliederungen gewöhnen“, erklärt der ehemalige Berufsschullehrer.
Eine Civitas sei Ensheim geworden, also ein Ort, von dem aus auch ein Teil des Umlandes verwaltet wurde. Ein „adeliger Bürgher“leitete das Ganze, auf dem Wickersberg wurde eine Gerichtsstätte errichtet und mit einem viereinhalb Schuh hohen Stein markiert.
Auch das von Metz aus christianisierte Ensheim war „ein besonderer Ort“, sagt Wüstner. Das erkenne man schon daran, dass der Bischof von Metz die Kirche St. Peter selbst weihte und König Childebert I. die Gemeinde zur „Königspfarrei“machte. Fast 300 Jahre war die Kirche Mittelpunkt der Pfarrei.
„Die Merowinger bewiesen, dass sie mehr waren als nur barbarische Kriegsherren“, sagt Wüstner. Sie setzten „einen adeligen Herrn“in Ensheim ein, der die Gerichtsbarkeit ausübte und „etwa zehn Orte“regierte. „Welchen Rang die Herren von Ensheim ursprünglich besaßen“, gehört zu den Dingen, die Remigius Wüstner noch nicht klären konnte. Sicher ist er aber, dass es später „Grafen und Ritter waren, die in Ensheim residierten“.
Um 860 wurde dann eine Burg gebaut – in etwa dort wo heute in der Hauptstraße die Häuser 34 bis 38 stehen, sagt Wüstner. In unmittelbarer Nähe wurde eine Kirche mit Zugang zur Burg errichtet. Sie war bis 1150 Pfarrkirche. Bereits 20 Jahre vorher, als sich Schäden an der Kirche zeigten, versuchte Ritter Ditmar Geld für einen Neubau aufzutreiben. Er verkaufte Land an die Abtei Wadgassen. Ein neues Kapitel Ensheimer Geschichte begann.
Die neue Kirche diente 600 Jahre als Pfarrkirche. Als die letzten Ensheimer Herrschaften aber am Nikolaustag 1293 auf ihre Ämter verzichteten, übernahm die Abtei Wadgassen die Gerichtsbarkeit und die Macht. Ensheim wurde Probstei. „Um 1440 bedrängte die Grafschaft Saarbrücken die Abtei Wadgassen zu einem Vertrag um Ensheim“, sagt Wüstner. 300 Quadersteine mussten die Ensheimer nun Jahr für Jahr nach Saarbrücken und St. Johann liefern. Wüstners Geschichte endet mit der letzten Steinlieferung: „Am 12. Juli 1792 als durch die Französische Revolution die Probstei aufgelöst wurde, nahm die Lieferung ein Ende“, sagt er. Sein Forscherdrang ist aber noch lange nicht am Ende.