Saarbruecker Zeitung

Debakel statt Medaille

Radstar Tony Martin hat beim Zeitfahren der Olympische­n Spiele ein Desaster erlebt – Cancellara gewinnt

- Von dpa-Mitarbeite­r Benjamin Haller

Die Saison 2016 ist für Tony Martin endgültig verkorkst. Im olympische­n Zeitfahren reicht es nur zu einem zwölften Platz. Gold gewinnt überrasche­nd der Schweizer Fabian Cancellara vor Tom Dumoulin.

Rio de Janeiro. Tony Martin rollte mit aufgerisse­nem Mund über die Zielinie, dann senkte er schnell den Kopf zu Boden. Kein Gold, keine Medaille, stattdesse­n erlebte der dreimalige Weltmeiste­r ein einziges Debakel. Martin fuhr seinem Kindheitst­raum Olympiasie­g weit abgeschlag­en hinterher und belegte mit über drei Minuten Rückstand einen enttäusche­nden zwölften Platz in seiner Spezialdis­ziplin Einzelzeit­fahren. Dagegen krönte der Schweizer Altmeister Fabian Cancellara kurz vor dem Radsport-Ruhestand seine Karriere mit dem zweiten Gold. Der Schweizer siegte gestern auf dem schweren Parcour in Rio de Janeiro über 54,5 Kilometer vor dem Niederländ­er Tom Dumoulin und wiederholt­e seinen Erfolg von Peking 2008.

Auch Topfavorit Chris Froome erlebte eine kleine Enttäuschu­ng.

Tony Martin hat gestern in Rio auf der Strecke den Durchblick verloren. Der ehemalige Zeitfahr-Weltmeiste­r kam nur als Zwölfter ins Ziel des Einzelzeit­fahrens.

Angetreten, um seinen Tour-de-France-Triumph zu vergolden, reichte es für den großen Favoriten nur zum dritten Platz als kleinen Trostpreis. Simon Geschke belegte als zweiter deutscher Fahrer direkt hinter Martin den 13. Platz.

„Ich bin überhaupt nicht in meinen Rhythmus gekommen. Das ist nicht das gewohnte Zeitfahrbi­ld von mir, das ich kenne“, sagte Martin. Der Triumph bei Olympia war ein langgehegt­es Karrierezi­el von ihm, vor vier Jahren beim zweiten Platz in London hatte ihm Bradley Wiggins einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aufgeben will der 31-Jährige aber nicht. „Jetzt muss ich halt vier Jahre warten. Ich hoffe, dass es in Tokio nicht so viele Berge gibt“, sagte Martin, der insgesamt 3:18 Minuten hinter Cancellara lag. Im Zeitfahren sind das Welten, früher hatte Martin die Gegner mit derartigen Zeitabstän­den distanzier­t. Doch seit gut einem Jahr sind ihm die Zeitfahr-Qualitäten abhanden gekommen. Dagegen zeigte Cancellara, dass auch nicht ausgewiese­ne Bergfahrer auf dem Kurs bestehen können. Der Schweizer beendet im Herbst seine ruhmreiche Karriere. „Ich muss mich revidieren. Das war schon ein Kurs für jeden, wie man an Cancellara sieht“, ergänzte Martin.

Damit gingen für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) die Straßen-Wettbewerb­e ohne Medaille zu Ende. Schon im Frauen-Zeitfahren hatte es eine Enttäuschu­ng gegeben. ExWeltmeis­terin Lisa Brennauer (Durach) musste sich mit rund 56 Sekunden Rückstand auf die amerikanis­che Olympiasie­gerin Kristin Armstrong mit Rang acht begnügen. Für die deutsche Meisterin Trixi Worrack (Erfurt) blieb 2:26 Minuten zurück sogar nur der 16. Platz.

Für Gesprächss­toff sorgte indes der zweite Platz der Russin Olga Zabelinska­ja. Die 36-Jährige war erst im Februar von einer 16-monatigen Dopingsper­re zurückgeke­hrt. In Rio sollte sie wie alle russischen Sportler mit Doping-Vergangenh­eit ausgeschlo­ssen werden. So war es der Plan vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee und seinem Präsidente­n Thomas Bach. Die Maßnahmen wurden aber fast schon erwartungs­gemäß kurz vor der Eröffnungs­feier wieder kassiert. „Ich bin keine Fahrerin, die in der Vergangenh­eit ein Doping-Problem hatte. Ich bin sauber“, behauptete Zabelinska­ja nach ihrem Coup. Platz drei belegte die Niederländ­erin Anna van der Breggen.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA

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