Eine Zeitreise in die 80er
„Up To Anything“von The Goon Sax – Das australische Trio schwelgt im Post-Punk und New Wave
Benne „Alles auf dem Weg“(Ferryhouse/Warner): Deutschsprachige SingerSongwriter sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Noch längst ist die Erntezeit nicht vorbei. Bereits 2015 betrat der 26-jährige Benedikt Ruchay alias Benne die Bühne. Auf seinem zweiten Album „Alles auf dem Weg“dreht sich bei dem Sänger, Gitarristen und Pianisten alles um die Gefühlswelt. Er übertreibt es jedoch mit seiner Gefühlsduseligkeit, wenn er in „Sturm auf meiner Haut“seine Sehnsucht in Bilder übersetzen will. Andererseits ist es vielleicht ganz gut, mal wieder über Gefühle zu reden. Denn mit einem hat er durchaus Recht: „Das Leben ist ganz schön viel verlangt, man steht inmitten von Menschen, die man kennt und dann kennt man sich plötzlich nicht mehr“(aus „Alles auf dem Weg“). Muss eine CD, die nur als Import erhältlich ist, für eine Rezension tabu sein? Zumal – mit etwas Geduld und erstaunlich wenig Geld – sogar einigermaßen gut dran zu kommen ist? Der Grund für die Entscheidung zu einer Besprechung von „Up To Anything“(Chapter Music) ist jedenfalls ein ausgesprochen triftiger: The Goon Sax aus dem australischen Brisbane haben das bis dato euphorisierendste, und damit meistgehörte Album dieses Jahrgangs gemacht! Mindestens all jenen, die in den sehr frühen Achtzigern Bands wie den Pastels, Orange Juice oder den Go-Betweens verfallen waren, wird die Kontaktaufnahme dringlich empfohlen.
Gewiss hätte dieses Teenager-Trio dereinst für reichlich Furore gesorgt. Nun sind die Zeiten andere – und überschwänglich polternder, nicht um jeden Preis nach Perfektion strebender Pop hat es deutlich schwerer. Da scheint dem Gitarristen Louis Forster nicht einmal sein Name dienlich zu sein – schließlich ist er der Spross des genialen Robert Forster, dessen Band Go-Betweens mit dem plötzlichen Tod seines Kompagnons Grant McLennan viel zu früh zu Grabe getragenen werden musste. Louis‘ verblüffend ähnlicher Gesang mag genetisch bedingt sein, das Spiel an den Gitarren geriet wahrscheinlich allmählich während seiner Musik umwehten Kindheit ins Blut. Zur Seite stehen ihm mit Schlagzeugerin Riley Jones und dem Bassisten James Harrison zudem Menschen, die offenbar ganz ähnlich ticken.
Wahrscheinlich haben alle drei das Frühwerk der GoBetweens – insbesondere „Send Me A Lullaby“– unterm Kopfkissen liegen. Man höre beispielsweise „Sometimes Accidently“oder „Home Haircuts“und lasse sich darüber augenblicklich in besagte Ära katapultieren. Neben den fabelhaften Gitarren und den wunderbar unaufgeregten Stimmen sind es das spartanisch, aber Herz zerreißend effektiv pochende Schlagwerk und jener zwischen Rhythmus und Melodie so raffiniert pendelnde, saftig pulsierende Bass, die für die üppige Ausschüttung von Glückshormonen sorgen. Hier stimmt einfach alles, die Songsubstanz sowieso. Weshalb „Up To Anything“so mühelos zum süchtig machenden Rundum-SorglosPaket gedeihen konnte. Lieblings-Stücke im formidablen Songbook? Vielleicht „Boyfriend“– eine berückende Geschichte um jugendliches Eifersüchtigmachen der Angebeten und das majestätisch geschrammelte „Making The Worst“, womöglich auch das magisch zirkelnde „Target“und das zuckersüße, sehnsüchtige „Sweaty Hands“. Nun, die Wahl ist so mühsam wie egal. Wie dieses extrem charmante Werk finanziert wurde? Vom Geld, das sich die drei Freunde jeweils zu Geburtstagen und zu Weihnachten gewünscht hatten.