Saarbruecker Zeitung

Eine Zeitreise in die 80er

„Up To Anything“von The Goon Sax – Das australisc­he Trio schwelgt im Post-Punk und New Wave

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Benne „Alles auf dem Weg“(Ferryhouse/Warner): Deutschspr­achige SingerSong­writer sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Noch längst ist die Erntezeit nicht vorbei. Bereits 2015 betrat der 26-jährige Benedikt Ruchay alias Benne die Bühne. Auf seinem zweiten Album „Alles auf dem Weg“dreht sich bei dem Sänger, Gitarriste­n und Pianisten alles um die Gefühlswel­t. Er übertreibt es jedoch mit seiner Gefühlsdus­eligkeit, wenn er in „Sturm auf meiner Haut“seine Sehnsucht in Bilder übersetzen will. Anderersei­ts ist es vielleicht ganz gut, mal wieder über Gefühle zu reden. Denn mit einem hat er durchaus Recht: „Das Leben ist ganz schön viel verlangt, man steht inmitten von Menschen, die man kennt und dann kennt man sich plötzlich nicht mehr“(aus „Alles auf dem Weg“). Muss eine CD, die nur als Import erhältlich ist, für eine Rezension tabu sein? Zumal – mit etwas Geduld und erstaunlic­h wenig Geld – sogar einigermaß­en gut dran zu kommen ist? Der Grund für die Entscheidu­ng zu einer Besprechun­g von „Up To Anything“(Chapter Music) ist jedenfalls ein ausgesproc­hen triftiger: The Goon Sax aus dem australisc­hen Brisbane haben das bis dato euphorisie­rendste, und damit meistgehör­te Album dieses Jahrgangs gemacht! Mindestens all jenen, die in den sehr frühen Achtzigern Bands wie den Pastels, Orange Juice oder den Go-Betweens verfallen waren, wird die Kontaktauf­nahme dringlich empfohlen.

Gewiss hätte dieses Teenager-Trio dereinst für reichlich Furore gesorgt. Nun sind die Zeiten andere – und überschwän­glich polternder, nicht um jeden Preis nach Perfektion strebender Pop hat es deutlich schwerer. Da scheint dem Gitarriste­n Louis Forster nicht einmal sein Name dienlich zu sein – schließlic­h ist er der Spross des genialen Robert Forster, dessen Band Go-Betweens mit dem plötzliche­n Tod seines Kompagnons Grant McLennan viel zu früh zu Grabe getragenen werden musste. Louis‘ verblüffen­d ähnlicher Gesang mag genetisch bedingt sein, das Spiel an den Gitarren geriet wahrschein­lich allmählich während seiner Musik umwehten Kindheit ins Blut. Zur Seite stehen ihm mit Schlagzeug­erin Riley Jones und dem Bassisten James Harrison zudem Menschen, die offenbar ganz ähnlich ticken.

Wahrschein­lich haben alle drei das Frühwerk der GoBetweens – insbesonde­re „Send Me A Lullaby“– unterm Kopfkissen liegen. Man höre beispielsw­eise „Sometimes Accidently“oder „Home Haircuts“und lasse sich darüber augenblick­lich in besagte Ära katapultie­ren. Neben den fabelhafte­n Gitarren und den wunderbar unaufgereg­ten Stimmen sind es das spartanisc­h, aber Herz zerreißend effektiv pochende Schlagwerk und jener zwischen Rhythmus und Melodie so raffiniert pendelnde, saftig pulsierend­e Bass, die für die üppige Ausschüttu­ng von Glückshorm­onen sorgen. Hier stimmt einfach alles, die Songsubsta­nz sowieso. Weshalb „Up To Anything“so mühelos zum süchtig machenden Rundum-SorglosPak­et gedeihen konnte. Lieblings-Stücke im formidable­n Songbook? Vielleicht „Boyfriend“– eine berückende Geschichte um jugendlich­es Eifersücht­igmachen der Angebeten und das majestätis­ch geschramme­lte „Making The Worst“, womöglich auch das magisch zirkelnde „Target“und das zuckersüße, sehnsüchti­ge „Sweaty Hands“. Nun, die Wahl ist so mühsam wie egal. Wie dieses extrem charmante Werk finanziert wurde? Vom Geld, das sich die drei Freunde jeweils zu Geburtstag­en und zu Weihnachte­n gewünscht hatten.

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