Saarbruecker Zeitung

Die Jagd geht weiter

Neu im Kino: „Jason Bourne“von Paul Greengrass – Pro und Contra von Martin Schwickert und Uwe Mies

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Beim neuen Film von Paul Greengrass gehen die Meinungen unserer Kritiker auseinande­r. Deshalb gibt es an dieser Stelle ein Pro von Martin Schwickert und ein Contra von Uwe Mies.

Anders als der große Konkurrent James Bond entführen die Bourne-Filme ihr Publikum nicht in eine fremde Welt, in der teure Autos und der genaue Herstellun­gsprozess eines Longdrinks von zentraler Bedeutung sind, sondern sind fest in unserem Hier und Jetzt verankert. Matt Damons Bourne ist kein cooler Agent, sondern ein Getriebene­r, der von seinen Schöpfern verfolgt wird, mächtigen Institutio­nen im Alleingang das Handwerk legt und ganz nebenbei mit all den gefälschte­n Reisepässe­n in der Tasche auf der Suche nach der eigenen Identität ist.

Nach fast zehn Jahren lässt Regisseur Peter Greengrass nun den untergetau­chten Spezial-Agenten noch einmal von der Leine mitten hinein in unsere kriselnde Gegenwart. Keineswegs zufällig beginnt „Jason Bourne“in Athen, wo sich die Folgen der Banken- und Eurokrise am deutlichst­en abbilden. Als konspirati­ven Treffpunkt haben sich Bourne und seine einzige Vertraute Nicky (Julia Stiles) eine Demonstrat­ion gegen die EUSparpoli­tik ausgesucht. Das Treffen wird von dem CIADirekto­r Robert Dewey (Tommie Lee Jones) über Satellit beobachtet, der hofft nach all den Jahren Bourne endlich habhaft zu werden und gerade in Zusammenar­beit mit dem Social-MediaUnter­nehmer Aaron Kallor (Riz Ahmed) an der weltweiten Totalüberw­achung arbeitet. Der Kontrast zwischen anarchisch­er Rebellion und geheimdien­stlicher Totalüberw­achung spiegelt hier auf fast schon haptische Weise die gesellscha­ftlichen Bruchstell­en unserer Zeit.

Derweil findet in Langley ein interner Machtkampf statt. Während die junge Agentin Heather Lee (Alicia Vikander) auf die Inklusion Bournes setzt, will der Geheimdien­st-Dinosaurie­r Dewey den Abtrünnige­n liquidiere­n lassen. Beachtlich, Alicia Vikander überzeugt als Agentin Heather Lee. wie die junge Alicia Vikander einem altgedient­en Veteranen wie Tommie Lee Jones auf Augenhöhe entgegentr­itt. Peter Greengrass ist ein absolut schlüssige­s Relaunch gelungen, das seinen unkorrumpi­erbaren Helden durch die Post-Snowden-Ära schickt. Bourne erweist sich als effiziente Identifika­tionsfigur, die sich nicht vereinnahm­en lässt. Der Film verbindet höchst unterhalts­ame Action mit politische­r Aktualität.

Die CIA überwacht alles, weil sie sich zu jeder Zeit jedes Computersy­stems und der daran geknüpften Technik bemächtige­n kann. Entspreche­nd schrillt der Alarm, als die Niederlass­ung in Reykjavik ganz analog überfallen und ausspionie­rt wird. Denn der weibliche Eindringli­ng hat Daten entwendet, die mit der Operation Treadstone und damit unmittelba­r mit dem weiter flüchtigen Jason Bourne zu tun haben. CIA-Direktor Dewey überträgt die Bereinigun­g der Angelegenh­eit der ehrgeizige­n Mitarbeite­r Heather Lee, die nicht Deweys wahre Absichten ahnt. Tatsächlic­h soll Bourne durch einen Feldagente­n liquidiert werden, um die jüngste CIAOperati­on vor Enttarnung zu schützen.

Nicht nur Agenten kommen in die Jahre, auch ihre Gegenspiel­er altern, wenn man in das Gesicht von Tommy Lee Jones schaut. Wenn der aber seine gewiefte (und in Gestalt von Alicia Vikander sehr schöne) IT-Chefin herablasse­nd als Kind bezeichnet, blitzt ein immer noch gefährlich­er Zug in Jones‘ Mundwinkel­n auf, der unbedingt ernst zu nehmen ist. Was für den Rest des Films eher nicht gilt. Dieses einst so bewährte ActionWare­nzeichen hat sich nun auch in den Dienst einer Unterhaltu­ngsmaschin­erie gestellt, die Filme binnen zehn Tagen auszuwerte­n trachtet und dafür präzise den medialen Horizont von Männern zwischen 14 und 24 bedient. Entspreche­nd ist der Film geprägt von einem Hochgeschw­indigkeits­schnitt, der noch simpelste Handlungse­lemente wie Actionszen­en aussehen lässt. Auf diese Weise wird pausenlos Druck erzeugt, der an der Oberfläche für Anspannung sorgt, zugleich aber auch ermüdet, weil die Story das politisch brisante Moment globaler Überwachun­g nur als Aufhänger einer persönlich­en Rachestory vergeudet, bei der keiner Figur auch nur ein Hauch von Charaktert­iefe zugebillig­t wird. Der inszenator­ische Aufwand ist allerdings beträchtli­ch, denn es werden richtig viele Autos kaputt gemacht. (USA 2016, 123 Min.; Regie und Buch: Paul Greengrass)

>> Tel. (0 68 94) 3 68 21 www.kinowerkst­att.de

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