Wenn einer nicht mehr lieben kann
Neu im Kino: „Caracas, eine Liebe“von Lorenzo Vigas – Packende Geschichte über Hingabe und Zurückweisung
Er geht immer nach dem selben Muster vor. Hat der wohlhabende Armando (Alfredo Castro) einen Blick auf einen jungen Mann geworfen, geht er sofort auf ihn zu. Er spricht ihn nicht an, er zeigt ihm nur wortlos ein paar Scheine. Das ist wohl die einfachste und effektivste Masche, junge Männer aus den Armenvierteln Caracas’ zu ködern.
Armando nimmt sie mit in seine Wohnung, gibt kühl und bestimmend seine Anweisungen: Zieh das T-Shirt aus, dreh dich um, lass die Hose runter. Das ist alles, was der Zahnarzttechniker von den Männern verlangt. Körperliche Nähe kann Armando nicht ertragen.
Sein nüchterner Dauergesichtsausdruck spricht Bände, zeigt dem Zuschauer, wie leer es in ihm aussieht. In seiner Kindheit muss der Vater Armando Traumatisches angetan haben. Was genau, bleibt offen.
Eines Tages nimmt Armando den jugendlichen Kleinkriminellen Elder (Luis Silva) mit zu sich nach Hause. Dieser schlägt ihn prompt nieder und raubt ihn aus. Trotz dieser Tat kann Armando nicht von dem Jungen lassen und sucht immer wieder den Kontakt zu ihm. Als er Elder nach einer Schlägerei übel zugerichtet und bewusstlos vorfindet, kümmert sich der eigentlich so gefühlskalte Sonderling um den Verletzten. Langsam nähern sich die beiden an und Elder ist bald bereit, alles zu tun, um Armando nahe zu sein.
„Caracas, eine Liebe“gibt Einblicke in die Gefühlswelt zweier Menschen aus komplett gegensätzlichen Welten. Arm trifft auf Reich, Alt auf Jung. Regisseur Lorenzo Vigas zeigt dies in dokumentarisch anmutenden Bildern. Der Film taucht in die Armenviertel der Stadt ein, zeigt, wie zerrüttet diese Gesellschaft ist, was auch in brutalen und ungeschönt gezeigten Gewaltausbrüchen zum Ausdruck kommt.
Die Bilder sind vornehmlich in einem kühlen Blauton gehalten, was die abgestumpfte Gefühlswelt Armandos widerspiegelt. Zudem entschied sich Vigas zu einer minimalistisch erzählten Geschichte mit sehr knappen Dialogen und er verzichtet auf den Einsatz von Musik, setzt ganz auf die Geräusche der Großstadt. Umso packender und authentischer wirken die Szenen und das starke Spiel seiner Darsteller. tcs