Saarbruecker Zeitung

Ehrgeizige Alternativ­e zur Weinkönigi­n

Warum im Moselort Kesten ein Student die bisherige Frauenbast­ion gestürmt hat

- Von dpa-Mitarbeite­rin Birgit Reichert

Sven Finke ist ein Exot: Der 25-Jährige wird Weinkönig im Moselort Kesten. Und das nur aus Not. Weil sich keine weibliche Weinhoheit fand, wird der Jurastuden­t einspringe­n. Und er hat eine Mission: „Ich will jedem zeigen, dass Männer genauso für diesen Job geeignet sind wie Frauen.“Morgen kann er damit offiziell beginnen: Dann steht seine Krönung an.

Sven Finke wird Weinkönig im Moselort Kesten. Der Jura-Student ist eingesprun­gen, weil sich keine Kandidatin fand. Jetzt will er zeigen, dass Männer den Job genauso gut können wie Frauen. Dem 25-Jährigen ist die Rolle wie auf den Leib geschnitte­n.

Kesten. Mit Toga und Weinglas stürmt Sven Finke eine der letzten Frauenbast­ionen: die der Weinkönigi­nnen. „Ich will jedem zeigen, dass Männer genauso für diesen Job geeignet sind wie Frauen“, sagt der 25Jährige, der an diesem Freitag im Moselort Kesten im Kreis Bernkastel-Wittlich zum Weinkönig gekrönt wird. Zwei Jahre lang wird der Jurastuden­t als römischer Weingott „Bacchus“für den Wein des 350-EinwohnerO­rtes unterwegs sein.

Damit ist er ein Exot. „Es gibt an der ganzen Mosel aktuell keinen anderen Mann im Amt“, sagt Finke über den Weinbergen des pittoreske­n Ortes an der Mittelmose­l stolz. Auch deutschlan­dweit sei es „eine absolute Seltenheit“, dass ein Mann in ein solches Amt gewählt werde, sagt der Sprecher des Deutschen Weininstit­uts (DWI), Ernst Büscher, in Bodenheim bei Mainz. Traditione­ll ist die königliche Weinwelt bislang fest in Frauenhand.

Dass Finke in Kesten an den Start geht, war zunächst aus der Not geboren. Für die scheidende Weinkönigi­n Sarah I. konnte schon 2015 keine Nachfolger­in im Ort gefunden werden, sie verlängert­e ihre Amtszeit daher um ein Jahr. „Ich habe vor einem Jahr gesagt: Wenn ihr niemanden findet, mache ich euch die Weinkönigi­n“, erzählt Finke. Dass daraus nun ernst wurde und der Gemeindera­t ihn einstimmig wählte – damit hatte Finke allerdings nicht gerechnet. „Jetzt freue ich mich wahnsinnig.“

Für sein Amt schlüpft er in die Rolle des „Bacchus Castanidi“, des Kestener Bacchus. Im weißen Leinengewa­nd mit roter Samtstola und Lorbeerkra­nz. „Wir haben hier die Figur des Bacchus zum König gemacht, weil der Ort römische Wurzeln hat“, erzählt Finke, der seit rund fünf Jahren mit seinem Partner in Kesten lebt. Und am liebsten die Rebsorte Bacchus trinkt.

„Die Rolle des Bacchus ist mir wie auf den Leib geschnitte­n: Ich esse gerne, ich trinke gerne und bin genauso lebensfroh.“Auf das Amt des Weinkönigs hat sich Finke eifrig vorbereite­t: Unter anderem besuchte er ein Seminar für Weinprinze­ssin- nen, wo er in Wissen und Auftreten geschult wurde. „Ich konnte das genauso gut wie die Frauen.“

Als gebürtiger Moselaner habe er schon als Kind viel über Wein gelernt. Heute habe er auch einen eigenen Weinberg mit Dornfelder. Zudem haben ihn Freunde und Winzer im Ort reichlich eingewiese­n. „Ich möchte viel lernen. Ich gehe ja nicht als Allwissend­er in das Amt.“

Bisher habe es in Kesten immer nur Weinkönigi­nnen gegeben, sagt Ortsbürger­meister Michael Beer. „Finke trägt dazu bei, den Weinort Kesten bekannter zu machen“, sagt er. Auf einen „Botschafte­r des Weins“zu verzichten, sei für das Dorf nicht in Frage gekommen. „Wir wollen jemanden haben, der unseren Wein präsentier­t.“Wein sei ein Hauptwirts­chaftszwei­g, es gebe noch 25 Haupterwer­bsbetriebe im Ort. Die Resonanz im Dorf auf den neuen Weinkönig sei durchweg positiv gewesen, sagt Beer.

Zwischen 15 und 20 Termine im Jahr warten nun auf den „Bacchus“: Hoffeste im Dorf und Weinfeste in den angrenzend­en Ortschafte­n. Und danach? „Ich könnte mir vorstellen, dass ich mich als Weinkönig für das Anbaugebie­t Mosel bewerbe“, sagt Finke. „Die Mosel ist moderner geworden, deshalb denke ich, kann man jetzt auch Männer ranlassen.“

Während es in Deutschlan­d den einen oder anderen Weinprinze­n, Weinkönig oder Bacchus in Ortsgemein­den schon mal gegeben hat, wäre die Bewerbung eines Mannes zur Wahl einer Gebietswei­nkönigin – wie für die Mosel – eine Neuheit, sagt DWI-Sprecher Büscher. Da werde sich dann die Frage stellen, ob er zugelassen werde. Bei einer Wahl zur deutschen Weinkönigi­n hätte er schlechte Karten: Da lassen die Richtlinie­n derzeit keine Männer zu, sagt Büscher.

Nach Kesten wird „Bacchus“Finke erstmal Hamburg „erobern“: Auf dem St. Pauli Winzerfest werde er am 19. August von der Dragqueen und dortigen Weinkönigi­n Olivia Jones zum Weinkönig ernannt. „Es soll ein Zeichen für Gleichbere­chtigung sein“, sagt Finke über den Ehrentitel, den er ein Jahr lang tragen wird.

St. Pauli stehe wie kein anderer Stadtteil für Vielfalt, Toleranz und buntes Treiben, sagt die Sprecherin der Spielbuden­platz Betreiberg­esellschaf­t, Nina Kampe, in Hamburg. Als man von Finke als erstem homosexuel­len Weinkönig gehört habe, habe man sein besonderes Engagement wertschätz­en wollen.

„Wenn ihr niemanden findet, mache ich euch die Weinkönigi­n.“ Jura-Student Sven Finke vor einem Jahr

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FOTO: TITTEL/DPA Sven Finke hat sich auf seine Rolle gut vorbereite­t. Er erwägt nun gar, als Weinkönigi­n für die gesamte Mosel zu kandidiere­n.

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