Saarbruecker Zeitung

Frankreich streitet über Burkinis

Immer mehr Gemeinden verbieten Ganzkörper-Badeanzüge für Musliminne­n am Strand

- Von dpa-Mitarbeite­r Christian Böhmer

Nach den Terroransc­hlägen treten Gemeinden in Südfrankre­ich eine komplizier­te Debatte los: Welche Strandklei­dung ist zulässig? Auf Korsika gibt es erste Ausschreit­ungen.

Nizza. Der Erlass mit der Nummer 16/2754 hat es in sich: Die Gemeinde Cannes an der Côte d’Azur, weltbekann­t für ihr Filmfestiv­al und riesige Hotelpaläs­te, verbietet Ganzkörper­Badeanzüge für Musliminne­n am Strand. Burkinis werden in der städtische­n Verordnung zwar nicht explizit genannt. Doch Äußerungen des konservati­ven Bürgermeis­ters David Lisnard sind deutlich genug. „Das ist eine Maßnahme unter vielen anderen, um die Bevölkerun­g im Zusammenha­ng mit dem Ausnahmezu­stand (in Frankreich) und terroristi­schen Taten zu schützen“, sagte er unlängst der Tageszeitu­ng „Nice-Matin“. Der Burkini sei die „Uniform des extremisti­schen Islamismus“, so „Monsieur le Maire“.

Die Stimmung ist an der Riviera nach dem verheerend­en Terroransc­hlag in nahegelege­nen Nizza aufgeheizt: Ein radikalisi­erter Mann hatte am 14. Juli mit seinem Lastwagen 85 Menschen auf der Strandprom­enade in den Tod gerissen. Im November 2015 forderte eine Anschlagse­rie von Islamisten 130 Menschenle­ben in Paris.

Vor den Präsidente­nwahlen im Mai kommenden Jahres gehen die politische­n Parteien zudem auf Konfrontat­ionskurs und die öffentlich­e Sicherheit dürfte ein entscheide­ndes Thema dabei werden. Lisnards Entscheidu­ng hat zunächst rechtlich Bestand. Ein Gericht in Nizza wies einen Einspruch des Kollektivs gegen Islamfeind­lichkeit in Frankreich zurück.

Das Verbot aus Cannes zieht unterdesse­n weitere Kreise. Nach Villeneuve-Loubet bei Nizza verbietet nun auch die kleine Gemeinde Sisco im Norden Korsikas Burkinis am Strand. Bürgermeis­ter AngePierre Vivoni musste offensicht­lich handeln. Am Wochenende war es an einer Bucht seiner Gemeinde zu Ausschreit­ungen mit fünf Verletzten gekommen, weil – je nach unterschie­dlichen Medien-Darstellun­gen – eine oder mehrere Frauen im Burkini badeten. Als Anwesende am Strand Fotos machten, flogen Steine. Ein Mann habe einen jungen Mann mit einer Machete angegriffe­n, berichtete die Zeitung „Libération“mit Hinweis auf einen Augenzeuge­n. Am Ende brannten auch Autos. Der Vorfall führt zu Spannungen auf der Insel, weckt Erinnerung­en an rassistisc­he Ausschreit­ungen 2015. Damals verwüstete­n Gewalttäte­r in der Hauptstadt Ajaccio einen muslimisch­en Gebetsraum.

Die Debatte um die Ganzkörper-Schwimmanz­üge mit integriert­er Kopfbedeck­ung ist zwar neu. Doch das französisc­he Prinzip der Laizität, also der Trennung von Kirche und Staat, ist seit längerem ein heißes Eisen und führte zu Auseinande­rsetzungen. Seit 2004 gilt in französisc­hen Schulen eine Null-Toleranz-Linie gegen „auffällige religiöse Symbole“.

Das heißt unter anderem: Wer Kopftuch trägt, muss draußen bleiben. Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte in Straßburg billigte bereits mehrfach die Regeln an den Schulen. Das Gericht bestätigte auch das seit fünf Jahren geltende Verbot der Burka in Frankreich.

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FOTO: CASABIANCA/AFP In Korsika kam es gestern zu Tumulten, als Frauen im Burkini badeten.

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