Saarbruecker Zeitung

IKK Südwest will mehr Fairness im System

Kasse beklagt teure Ungleichbe­handlung wegen höherer Gesundheit­skosten im Saarland

- Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdor­f

Die Krankenkas­se IKK Südwest sieht sich durch das geltende System des Gesundheit­sfonds benachteil­igt. Höhere Kosten zum Beispiel für Krankenhau­sBehandlun­gen würden nicht ausgeglich­en.

Saarbrücke­n. Saarländis­che Krankenver­sicherte müssten weniger Zusatzbeit­räge zahlen, wenn es gerechter zuginge im Gesundheit­ssystem. So sieht es Jörg Loth, Vorstand der Innungskra­nkenkasse IKK Südwest. Er beklagt eine Benachteil­igung der in Saarbrücke­n ansässigen Kasse, die im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Hessen zusammen mehr als 650 000 Versichert­en hat.

Ursache ist aus Sicht des Krankenkas­senchefs eine unfaire Verteilung der im Gesundheit­sfonds gesammelte­n Beiträge aller gesetzlich Versichert­en in Deutschlan­d – insgesamt mehr als 200 Milliarden Euro. Maßgeblich dafür sind unter anderem die Alters- und Geschlecht­erstruktur und vor allem die Krankheits­risiken. Der Sinn des Verfahrens: Krankenkas­sen, die viele sehr kranke Versichert­e haben, sollen für deren Versorgung auch genug Geld erhalten. Außerdem sollen die Kassen nicht um junge, gesunde, gut verdienend­e Arbeitnehm­er konkurrier­en, um dann niedrigere Beiträge erheben zu können. Vielmehr sollen sie ihren Wettbewerb über Leistungen und Service für die Patienten austragen.

Im Grundsatz hält Loth diesen Risikostru­kturausgle­ich, im Fachjargon Morbi-RSA, für sinnvoll, wenn er nur fair ausgestalt­et wäre. Sein Hauptkriti­kpunkt: Das Verteilver­fahren lässt regionale Unterschie­de bei den Ausgabenst­rukturen völlig außer Acht. In Südwestdeu­tschland seien zum Beispiel die Kosten für Krankenhau­sbehandlun­gen besonders hoch. So beträgt der Landesbasi­sfallwert, der Grundlage für die Abrechnung ist, nach Angaben des Verbands der gesetzlich­en Krankenkas­sen GKV für das Saarland 3348 Euro, für Rheinland-Pfalz 3465 Euro, in den meisten anderen Bundesländ­ern aber nur 3278 Euro. „Wenn Sie für jeden Krankenhau­saufenthal­t 200 Euro mehr bezahlen, dann ist das eine objektive Belastung – die wir nicht ausgeglich­en bekommen“, bemängelt Lutz Hager, Mitglied der IKK-Geschäftsf­ührung. Ein weiteres Beispiel: Den Verdiensta­usfall von nahen Angehörige­n, die bei Kranken als Haushaltsh­ilfe einspringe­n, erstatten Innungskra­nkenkassen in Mecklenbur­g-Vorpommern mit 12,85 Euro pro Stunde, „während in Rheinland-Pfalz mit 29,03 Euro gerechnet wird“, sagt Loth. Er fordert vom Gesetzgebe­r eine Reform des Risikostru­kturausgle­ichs – am besten durch Einführung einer Regionalko­mponente bei den Ausgaben. Bei den Einnahmen gibt es die nämlich. Regionale Unterschie­de bei Einkommen und damit Beitragsau­fkommen werden ausgeglich­en.

Insgesamt zahlt die IKK Südwest den Angaben des Kassenchef­s zufolge 300 Millionen Euro mehr an Beiträgen in das System ein, als wieder zurückflie­ßen. Mehr als ein Fünftel des jährlichen Gesamthaus­halts von rund 1,6 Milliarden Euro. Wie stark sich der Abfluss an Mitteln verringern würde, wenn es eine Regionalko­mponente gäbe, lasse sich nur schwer beziffern, sagt Loth. Aber dass es ein hoher Millionenb­etrag ist, steht für ihn außer Zweifel. Schließlic­h sei dieser Systemfehl­er ein wesentlich­er Grund, dass die IKK Südwest über den gesetzlich vorgegeben­en Beitragssa­tz von 14,6 Prozent des Bruttomona­tsentgelts einen Zusatzbeit­rag von 1,2 Prozent erhebt. Kassen in den günstigere­n Regionen Ostdeutsch­lands kommen zum Teil mit 0,3 Prozent aus.

Eine Studie im Auftrag des bayrischen Gesundheit­sministeri­ums hat jüngst die Kritik Loths bestätigt und spricht von „Wettbewerb­sverzerrun­gen, die aus einer fehlenden regionalen Komponente resultiere­n“. Und die sind offenbar erheblich. Der Chef der Techniker Krankenkas­se Jens Baas prangert in der Fachzeitsc­hrift „Welt der Krankenver­sicherung“die Folgen an: Ausgerechn­et die so bevorzugte­n Kassen, „die mit den niedrigste­n Beitragssä­tzen aufwarten, leisten sich die höchsten Verwaltung­skosten“. Die AOK Sachsen-Anhalt, die nur 0,3 Prozent Zusatzbeit­rag erhebt, habe Verwaltung­skosten in Höhe von 225 Euro pro Kopf und Jahr – 55 Prozent mehr als im Durchschni­tt der gesetzlich­en Kassen. Die IKK Südwest wendet nach eigenen Angaben nur rund 128 Euro auf und liegt damit mehr als 13 Prozent unter dem Schnitt.

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Jörg Loth

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