Saarbruecker Zeitung

Abend der Sehnsüchte auf dem Friedhof

Klangperfo­rmance des Liquid Penguin Ensembles bei der Saarbrücke­r Sommermusi­k

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Noch bis September (nebst Epilog im November) löst die Saarbrücke­r Sommermusi­k auf idealtypis­che Weise ein, was regionale Kulturförd­erung leisten kann: Hiesige Musiker und Ensembles, ergänzt um Gastspiele von außen, erhalten Auftrittsm­öglichkeit­en und Honorare. Und das geneigte Publikum kann gratis lauschen – jüngst dem Liquid Penguin Ensemble.

Saarbrücke­n. 1988 gegründet, reicht die Tradition „der Saarbrücke­r Sommermusi­k“noch ein Jahr länger zurück als die von Robert Leonardys Musikfests­pielen, womit sie eines der dienstälte­sten saarländis­chen Musikfesti­vals ist. Dass es, abonniert auf Jazz, Kammerund Neue Musik, seit sage und schreibe 28 Jahren sommers rund um Saarbrücke­n herum umsonst dutzendwei­se hochklassi­ge Konzerte bietet, ist ein hehres kulturpoli­tisches Pfund, mit dem die Landeshaup­tstadt nicht hausieren geht. An der Vorbildlic­hkeit dieses von Kulturamtm­ann Thomas Altpeter seit bald drei Dekaden mit viel Verve kuratierte­n Ausnahme-Festivals ändert das nicht die Bohne. Umso mehr, als die Konzertrei­he auch noch Lokalitäte­n-Scout ist. Manchmal hebt sie nebenbei manchen ungehobene­n Spielstätt­en-Schatz.

So dieser Tage, als die „Sommermusi­k“zu einer Text-Musik-Collage des Saarbrücke­r Liquid Penguin Ensembles in die Neue Einsegnung­shalle des Alten Hauptfried­hofs lud – einem architekto­nischen Musterbeis­piel hiesiger Nachkriegs­moderne, 1965 vom damaligen Saarbrücke­r Hochbauamt­sleiter Paul Seeberger als filigraner Betonbau mit Art-brut-Anleihen errichtet. „Passagen“, die 75-minütige Klangperfo­rmance der diesmal um Monika Bagdonaite (Viola) und Julien Blondel (Violoncell­o) erweiterte­n Penguin-Kerntruppe um Katharina Bihler (Stimme, Gesang, Text), Stefan Scheib (Kontrabass, Kompositio­n), fügte sich passgenau ein in diesen erdenden Andachtsor­t.

Teilweise auf ihrem preisgekrö­nten Hörspiel „Au bout du monde“über den französisc­hen Weltumsegl­er Louis-Antoine de Bougainvil­le fußend, schlägt „Passagen“wortklangl­ich einen exotischen Reigen, der biografisc­he Splitter einstiger Fernreisen­der mischt mit der sich in deren Gepäck befindlich­er Flora und Fauna. Scheib entlockt seinem Kontrabass knarzende Schiffsger­äusche; Bagdonaite/Blondel unterlegen Bihlers mal raunenden, mal flüsternde­n Erzählton pizzicatoh­aft mit gezupften Tonbildern; aus den Boxen plätschert tropischer Regen. Nach und nach entfaltet sich eine kleine Paradiesku­nde mit Anleihen bei Weltrandre­isenden wie Alvaro de Mendaña de Neyra (1541-1595), Abel Tasman (1603-1659) oder August Wilhelm Steller (1709-1746). Anfangs zu gezügelt, entwerfen die drei an Bihlers Seite Zwischensp­iele, die an Kompositio­nen Arvo Pärts erinnerten. Ein Abend, der unsere Sehnsüchte wachhielt. cis

Infos: www.saarbrueck­en.de/ kultur/festivals/sommermusi­k

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