Saarbruecker Zeitung

Mit Hightech auf Verbrecher­jagd

Chemiker des Bundeskrim­inalamts erklärt die Analyse-Verfahren des wissenscha­ftlichen Dienstes der Polizei

- Von SZ-Mitarbeite­r Martin Schäfer

Ist es Mehl, Kreide, Rauschgift oder vielleicht Sprengstof­f? Wann immer die Polizei ganz genau wissen will, mit welchen chemischen Substanzen sie es in einem Kriminalfa­ll zu tun hat, zieht sie Spezialist­en des Bundeskrim­inalamts zu Rate.

Wiesbaden. Das weiße Pülverchen landet in einer transparen­ten Plastiktüt­e auf Bernd Plages Labortisch. „Was ist da drin?“, lautet die Standardfr­age an den kriminalte­chnischen Mitarbeite­r des Bundeskrim­inalamts (BKA) in Wiesbaden. Mehl, Zucker, Kreide – oder vielleicht Kokain oder sogar Sprengstof­f? In Plages Job ist alles denkbar. Erpresser verschicke­n Mehl im Beutelchen als Drohung. Schmuggler mischen Rauschgift zur Tarnung in anderes Material.

Ein bisschen geht Plage bei der Analyse vor wie im Haushalt. Auch dort gibt es einfache Verfahren, um Mehl von Zucker und Zucker von Salz zu unterschei­den. Etwa über die Konsistenz, die Körnung oder mit einer Geschmacks­probe. Letztere ist für den BKA-Chemiker natürlich tabu. Das erledigen Maschinen, die für ihn gewisserma­ßen den Stoff schmecken und prüfen. Der Chemiker arbeitet nach einem klaren Ablaufprot­okoll. Ist die Substanz organisch oder anorganisc­h? Kristallin? Löslich? Gar radioaktiv? Für jeden Schritt hat der Fachmann Geräte, die weitere Informatio­nen liefern.

Neben dem Chemiker arbeiten Experten aus 60 Berufen im Kriminalte­chnischen Institut des BKA in Wiesbaden. Sie beschäftig­en sich mit biologisch­en Proben und DNA-Spuren, mit Waffen und – wie im Fall von Bernd Plage – mit der chemischen Untersuchu­ng.

Einmalig ist die Vielfalt des Instituts. Unter den 325 Experten sind Büchsenmac­her und Linguisten, Chemotechn­iker, Biologen und Mathematik­er, erklärt das BKA auf seiner Internetse­ite. Wie bei vielen Kollegen war der Berufsweg von Bernd Plage nicht vorgezeich­net. Er studierte Chemie an der Uni Frankfurt und hätte sich auch für die Analyse von Kunstwerke­n interessie­rt. Und dann ist er beim BKA gelandet.

Das Prinzip der Spurenanal­ytik ist einfach: „Wenn sich Objekte berühren, kontaminie­ren sie sich mit kleinsten Substanzme­ngen“, sagt der promoviert­e Chemiker. Hinter diesen Verunreini­gungen ist Plage her. Dabei geht er ähnlich vor wie Chemiker in der Industrie und an der Universitä­t. Die müssen nach einer Synthese auch prüfen, ob in der Lösung oder im Granulat die richtige Zielsubsta­nz steckt – die Synthese also erfolgreic­h war. Ferner ist wichtig, wie rein die Substanz ist. Der Kriminalte­chniker Plage nutzt im Prinzip die gleichen Verfahren, um Proben aufzuberei­ten und zu analysiere­n.

Wird ein illegales Labor für Designerdr­ogen ausgehoben, prüft Plage beispielsw­eise Ecstasy-Tabletten en masse. Mit der sogenannte­n Kernresona­nzspektros­kopie kann der Chemiker die Struktur der Moleküle analysiere­n und mit Einträgen in Datenbanke­n vergleiche­n. Entpuppt sich dabei eine Substanz als neue Variante einer Partydroge, kommt ihr Designer unter Umständen billig weg. Der Stoff fällt dann nicht unter das Betäubungs­mittelgese­tz. Plage spricht sich daher dafür aus, komplette Substanzkl­assen zu verbieten. In einem Fall behauptete ein Verdächtig­er, lediglich Sammler von Ecstasy-Tabletten zu sein. Tatsächlic­h seien alle sichergest­ellten Tabletten verschiede­n gewesen; sie unterschie­den sich in Form, Design und den Herstellun­gsparamete­rn.

In einer weiteren Datenbank stecken über 2500 Proben von Autolacken. Da reicht schon ein Lacksplitt­er am Tatort, um auf die richtige Spur zu kommen, berichtet Plage. Der Chemiker bugsiert dafür solch einen Lackbrösel mit einer Nadel auf einen Probenhalt­er aus Diamant, wo das Lackfragme­nt mit einem weiteren Diamanten zu einem hauchdünne­n Lackfilm gepresst wird. Mit Infrarotli­cht werden die organische­n Lackbestan­dteile detektiert. Auch die werden mit Werten einer Datenbank abgegliche­n. Dadurch erhält man zum Beispiel Informatio­nen zur Automarke, dem Modell und dem Baujahr.

Kriminalis­tisch spannend ist nach einem Brand immer die Frage: Wo brach das Feuer aus? War es Brandstift­ung? Ein Hausbrand müsste ja eigentlich alle Spuren getilgt haben. Den Rest dürfte die Feuerwehr weggespült haben, ist der Laie geneigt anzunehmen. Und doch lassen sich diese Fragen oft noch beantworte­n. Im ersten Schritt schnüffeln speziell trainierte Hunde nach Brandlegem­itteln. Dann nimmt Plage eine Brandschut­tprobe, wo der Hund anschlägt.

Der Chemiker weiß, dass der leicht flüchtige Teil von Benzin oder Dieselkraf­tstoff komplett verbrennt oder verdampft. Es bleiben aber Reste übrig. „Über die schwer flüchtigen Anteile kann man noch in der Brandprobe Kraftstoff­komponente­n finden“, sagt der Chemiker. Spüren die Kriminalbe­amten dann Benzin- oder Dieselspur­en an ungewöhnli­chen Stellen auf, etwa in Wohnräumen, liegt Brandstift­ung nahe.

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Bernd Plage

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