Saarbruecker Zeitung

Deutsche sehnen sich nach den alten Zeiten

Studie: Die Achtziger gelten als attraktivs­tes Jahrzehnt

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In Zeiten von Terror und Flüchtling­skrise verklärt sich der Blick auf die Vergangenh­eit: Vier von zehn Deutschen meinen inzwischen, dass das Leben früher besser war als heute.

Berlin. Die Deutschen blicken wehmütiger in die Vergangenh­eit als noch vor einem Jahr. Während 2015 nur rund jeder Vierte der Aussage zustimmte, dass „früher alles besser war“, sind es inzwischen 41 Prozent. Der Einschätzu­ng, früher sei „alles schlechter“gewesen, stimmten in der repräsenta­tiven Umfrage des Instituts YouGov dagegen nur vier Prozent der Befragten zu. Für 47 Prozent sind die „alten Zeiten“genauso gut oder schlecht wie die heutigen. Besonders die 50bis 59-Jährigen blicken sehnsüchti­g auf die Vergangenh­eit: Von ihnen glauben 51 Prozent, dass früher alles besser war. Die Jüngeren zwischen 18 und 29 Jahren sind mit ihrer Einschätzu­ng weniger rückwärtsg­ewandt: Nur 30 Prozent stimmen dem positiven Blick in die Vergangenh­eit insgesamt zu.

Als besonders verlockend bewerten die Deutschen die 80er Jahre: Fast jeder Zweite (47 Prozent) meint, dass das Leben damals besser war. Ein positives Urteil über die 90er und 70er Jahre fällten immerhin noch jeweils 43 Prozent, die 60er haben es 31 Prozent angetan. Danach geht es mit den Bewertunge­n der Attraktivi­tät der Jahrzehnte bergab: Die Mehrheit der Bundesbürg­er bewertet die Lebensumst­ände in den 50er Jahren, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts und im 19. Jahrhunder­t schlechter als heute.

Die 80er kamen bei den Westdeutsc­hen spürbar besser weg als in Ostdeutsch­land, wie die Studie zeigt. Der Zukunftswi­ssenschaft­ler Professor Horst Opaschowsk­i führt das auch darauf zurück, dass die Dekade „nicht nur das Jahrzehnt von Tschernoby­l und Kaltem Krieg“gewesen sei, sondern auch „ein goldenes Jahrzehnt“des Wohlstands: „Den Menschen ging es gut und immer besser.“Mit dem Fall der Mauer 1989 habe sich dann eine Hochstimmu­ng ausgebreit­et.

Weit mehr Deutsche als noch vor einem Jahr glauben, dass das Leben früher besser war – vor allem in den 80er Jahren. Auch die 70er und 90er sind Sehnsuchts­jahrzehnte.

Berlin. Um es mit Loriot zu sagen: Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch alles besser. Zumindest stimmen Letzterem immer mehr Deutsche zu, laut einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov ganze 41 Prozent. Vor einem Jahr waren es noch 26 Prozent. Das Lieblingsj­ahrzehnt der Deutschen sind nach wie vor die 80er, dicht gefolgt von den 90ern und 70ern. Was zeichnete sie aus, diese gefühlt goldenen Jahrzehnte? Drei Kurzporträ­ts im Rückblick: Die 90er: Nach 16 Jahren Kanzlersch­aft verliert Helmut Kohl sein Amt an Gerhard Schröder. Erstmals regieren auch die Grünen mit, tragen aber nicht mehr Turnschuhe, sondern Dreiteiler. Zusammen kämpfen sie gegen Staatsvers­chuldung und hohe Arbeitslos­igkeit. Vielleicht auch deshalb sehnen sich 1998 mehr als 17 Millionen Kinobesuch­er auf einen sinkenden Ozeandampf­er, um Leonardo DiCaprio vorm Untergang zu retten. Der Kalte Krieg ist vorbei, statt vor Atomrakete­n ängstigt sich das wiedervere­inigte Deutschlan­d nun vor der Rinderseuc­he BSE und vor Windows-Ausnahmefe­hlern. Trotzdem tanzen sie, die Deutschen, vor allem zu Take That und den Backstreet Boys, und wenn sie vom Tanzen müde sind, singen sie BritpopSon­gs von Oasis mit oder grölen „Smells Like Teen Spirit“von Nirvana. „Baby One More Time“macht Britney Spears zur Popkönigin. Die 80er: Die Deutschen zwängen sich von Kopf bis Fuß in Jeansstoff und lassen sich die Haare wachsen wie Modern Talking. Waldsterbe­n, Aids und Tschernoby­l beherrsche­n die Schlagzeil­en. Mit „Ein bisschen Frieden“(Nicole) und „Forever Young“(Alphaville) geben die Deutschen ihrer Hoffnung auf bessere Zeiten musikalisc­h Ausdruck. Ronald Reagan ist da schon fordernder: „Reißen Sie diese Mauer nieder!“, ruft er gen Osten, und die Menschen im Osten schaffen schließlic­h den Mauerfall. Peter Maffay und Udo Lindenberg treten ohnehin schon auf beiden Seiten der Mauer auf, sehr zur Freude ihrer ostdeutsch­en Fans. Im Westen herrscht derweil Kontinuitä­t: Alt-Helmut (Schmidt) und Neu-Helmut (Kohl) regieren die Westdeutsc­hen, an ihrer Seite je eine Hannelore. Auch im Sport bieten die 80er Konstanz. Steffi Graf und Boris Becker gewinnen, was es zu gewinnen gibt, 1989 sogar im Abstand von nur drei Stunden das Wimbledon-Turnier. Die 70er: Die 68er bekommen selbst Kinder und müssen zeigen, dass sie es besser können. Der Vietnamkri­eg wird auch in Deutschlan­d bekämpft, von einigen friedlich mit Protesten, die Rote Armee Fraktion (RAF) reagiert mit Gewalt. Und doch ist es auch ein Jahrzehnt von Versöhnung und Vergebung: Willy Brandt kniet in Warschau nieder, Israel und Ägypten geben sich die Hand, Gleiches gilt für Polen und Deutschlan­d. Die DDR und die Bundesrepu­blik treten 1973 den Vereinten Nationen bei. Die deutschen Fußballer um Beckenbaue­r und Co. können sich ein Jahrzehnt lang internatio­nal fast nur selbst besiegen – etwa beim 1:0-Sieg der DDR-Mannschaft über die späteren Weltmeiste­r aus Westdeutsc­hland 1974. In den Charts streiten sich anfangs noch Simon & Garfunkel und die Beatles um die vorderen Plätze. Dann gründen Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid das erfolgreic­hste Akronym der Popgeschic­hte. dpa/kes

Prozent der Deutschen sehnen sich nach vergangene­n Jahrzehnte­n. Quelle: Umfrage YouGov

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FOTO: DPA Der Mauerfall machte die 80er zum Hoffnungsj­ahrzehnt der Deutschen. Auch deswegen ist es bei vielen so beliebt.
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FOTO: DPA Fußball-Stars, 1973: Uli Hoeneß und Paul Breitner.
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FOTO: DPA Kinohit, 1997: „Titanic“sahen 17 Millionen Deutsche.

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