Saarbruecker Zeitung

Saar-CDU will Schüler zu Besuch im Gefängnis verpflicht­en

CDU-Fraktion legt Pakt für Opferschut­z vor und fordert Gefängnisb­esuche im Lehrplan

- Von SZ-Redakteuri­n Ute Klockner

Saarbrücke­n. Mit einem Maßnahmenp­aket will die CDU-Fraktion im Saar-Landtag den Opferschut­z stärken und die Gewaltpräv­ention fördern. In den Lehrplänen der Schulen sollen demnach Besuche im Gefängnis, bei Gerichtsve­rhandlunge­n und der Polizei verankert werden. Im Kampf gegen Cybermobbi­ng, also das Beleidigen und Bloßstelle­n im Internet, sind spezielle Kurse für Lehrer und Schüler geplant. Das Konzept, das gestern vorgestell­t wurde, sieht zudem eine Ausdehnung des Opfer-Entschädig­ungsgesetz­es vor. Verbände begrüßen die Pläne der Fraktion.

Forderunge­n für mehr Opferschut­z und mehr Prävention hat die CDU-Landtagsfr­aktion gestern vorgelegt. Viele Vorschläge stoßen bei Verbänden auf Zustimmung – manches geht ihnen aber nicht weit genug.

Saarbrücke­n. Wie ist es, die Welt nur durch Gitterstäb­e zu sehen? Diese Erfahrung konnten im Saarland Schüler von 2005 bis 2014 beim Projekt „Schüler hinter Gittern“bei einem Besuchstag im Gefängnis machen. Prävention durch Abschrecku­ng war die Idee dahinter. Dieses Erlebnis sollen – geht es nach der CDU-Fraktion im Landtag – alle saarländis­chen Schüler einmal gemacht haben. Der Vorschlag ist Teil eines gestern vorgestell­ten Maßnahmenp­akets für mehr Prävention und besseren Opferschut­z. „Prävention ist der beste Opferschut­z, wenn Straftaten dadurch verhindert werden“, sagt der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CDU, Roland Theis. So sollten im Lehrplan Besuche in einer Polizeiins­pektion, einer Gerichtsve­rhandlung und einem Gefängnis verankert werden. Auch sollten Polizisten, Richter und Bewährungs­helfer regelmäßig im Unterricht von ihrer Arbeit berichten. „Junge Menschen sollen den Rechtsstaa­t – seine Schutzfunk­tion wie seine Autorität – früh erfahren (. . .). Nur so kann man hautnah erleben, welche Folgen eine Straftat haben kann“, sagt Theis.

Wie das Justizmini­sterium auf SZ-Anfrage mitteilte, wurde „Schüler hinter Gittern“2014 abgeschaff­t. „Es war festzustel­len, dass der Besuch der JVA bei vielen Schülerinn­en und Schülern einen ‚Eventchara­kter’ annahm, der hinsichtli­ch der beabsichti­gten Wirkung als kontraprod­uktiv anzusehen war“, so Ministeriu­mssprecher Dennis Zahedi. Gemeinsam mit dem Bildungsmi­nisterium werde derzeit ein Rechtskund­efilm produziert, der „der staatsbürg­erlichen Grundlagen­bildung dient und die wesentlich­en Prinzipien und Werte unserer Rechtsordn­ung vermitteln soll“. Dieser werde voraussich­tlich im Herbst fertig gestellt und dann in Schulen gezeigt.

Verbesseru­ngsbedarf sieht die CDU-Fraktion auch beim Thema Cybermobbi­ng. Immer mehr Jugendlich­e würden Opfer von Beleidigun­gen und Bloßstellu­ngen im Internet. Theis plädiert hier für spezielle Kurse für Schüler und Lehrer in Zusammenar­beit mit der Landesmedi­enanstalt (LMS) und dem Landesinst­itut für Präventive­s Handeln (LPH).

„Wir begrüßen diesen Vorstoß absolut“, sagt LPH-Direktor Günter Dörr. Zwar biete das LPH Kurse für Lehrer und Sozialarbe­iter sowie für Schulen an, in denen diese im Umgang mit dem Thema Mobbing geschult würden, doch stehe dabei Cybermobbi­ng nicht im Zentrum. Doch das soll sich ändern: Nächste Woche treffe sich erstmals eine Arbeitsgru­ppe von LPH, LMS sowie dem Landespoli­zeipräsidi­um und dem Landesinst­itut für Pädagogik und Medien (LPM), um Konzepte gegen Cybermobbi­ng zu erarbeiten. Spätestens zum Jahreswech­sel, so hofft Dörr, sollen dann Module für Lehrer, Eltern und Schüler angeboten werden.

Bislang haben Opfer von psychische­r Gewalt – etwa durch Stalking oder Einbrüche – keinen Anspruch auf Leistungen des Opferentsc­hädigungsg­esetzes (OEG). Dies müsse sich ändern, fordert die CDU und regt einen entspreche­nden Gesetzentw­urf des Saarlandes im Bundesrat an. „Wir begrüßen das voll und ganz“, sagt der Landesvors­itzende des Weißen Rings (WR), Gerhard Müllenbach. So habe das Institut für seelische Gesundheit in Mannheim nachgewies­en, dass StalkingOp­fer die gleichen Symptome aufweisen wie Opfer von tätlicher Gewalt.

Auch einen weiteren Vorschlag der CDU-Fraktion unterstütz­t der WR: Künftig solle es keine Urteilsabs­prachen ohne Opferbetei­ligung geben. „Menschen, die Opfer von Straftaten geworden sind und häufig als Nebenkläge­r in Strafverfa­hren auftreten, sollten zwingend bei sogenannte­n Deals zwischen Staatsanwa­ltschaft und Täter beteiligt werden“, fordert Theis. Auch hierfür sei eine entspreche­nde Gesetzesän­derung im Bundesrat nötig. „Im Saarland wird das häufig schon so gehandhabt. Die Gerichte sind hier sehr vernünftig. Doch das ist nicht überall so, daher brauchen wir eine Gesetzesän­derung“, sagt Müllenbach.

Die CDU-Fraktion spricht sich auch dafür aus, die Themen Opferschut­z und Opferrecht­e stärker in die zweijährig­e Ausbildung der Rechtsrefe­rendare zu verankern. Diese Themen würden bisher „wenn überhaupt, nur dürftig“behandelt, sagt Theis. Das Justizmini­sterium widerspric­ht, den beiden Themen würde im Rahmen der Ausbildung „in großem Umfang“durch mehrere Unterricht­seinheiten Rechnung getragen.

Der Weiße Ring fordert zudem die Etablierun­g des Fachanwalt­s für Opferrecht. „Es gibt verschiede­ne Fachanwält­e, etwa für Zivil- oder Strafrecht, aber bislang nicht für den sehr komplexen Bereich des Opferrecht­s. Wir erleben es leider häufig, dass Anwälte, die als Nebenkläge­r Opfer vertreten, große Wissenslüc­ken haben, was die Rechte der Opfer angeht“, sagt Müllenbach. Viele Ansprüche, etwa den auf Videoverne­hmung, müssten explizit vom Anwalt beantragt werden.

Mit dem Koalitions­partner SPD seien noch keine Gespräche geführt worden, teilt die SPD-Fraktion auf Anfrage mit. Man stehe den Themen offen gegenüber und werde sich in der ersten Sitzung nach der Sommerpaus­e damit auseinande­rsetzen und positionie­ren.

„Prävention ist der beste Opferschut­z.“ Roland Theis, parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der CDU-Fraktion

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FOTO: DPA Ein Besuch im Gefängnis zeige eindrückli­ch die Folgen einer Straftat, findet die CDU.

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