Saarbruecker Zeitung

Pariser kämpfen für Erhalt ihrer Kioske

Pariser Bürgermeis­terin will die alten Zeitungshä­uschen ersetzen

- Von SZ-Korrespond­entin Christine Longin

Die Stadt Paris will die alten Kioske durch neue ersetzen. Dagegen regt sich nun heftiger Protest.

Die alten, schnörkeli­gen Zeitungski­oske von Paris sollen schon bald durch moderne Boxen ersetzt werden. Doch die Initiative von Bürgermeis­terin Anne Hidalgo hat schon mehrere zehntausen­d Gegner.

Paris. Sie gehören zu Paris wie die Taxis zu New York oder die Telefonzel­len zu London: die dunkelgrün­en Zeitungski­oske mit dem Spitzenran­d und der Kuppel auf dem Dach. Doch ausgerechn­et eines der Wahrzeiche­n ihrer Stadt will Bürgermeis­terin Anne Hidalgo nun abschaffen. Offiziell ist von einer Modernisie­rung der Zeitungsst­ände die Rede, die im Internet-Zeitalter mit sinkenden Kundenzahl­en kämpfen. Statt der alten Verkaufsst­ellen, die auf das 19. Jahrhunder­t zurückgehe­n, sollen moderne Boxen entstehen. Die Zeitung „Le Parisien“enthüllte vor ein paar Wochen das geplante Design der neuen Kioske, das Kritiker an riesige Mülltonnen oder Dixi-Klos erinnert.

Kein Wunder, dass die Pariser über diese Veränderun­g nicht begeistert sind. „Die neuen Kioske haben überhaupt keinen Stil“, sagt ein 54-jähriger Zeitungsku­nde. Er ist mit seiner Kritik nicht allein: Zigtausend­e Pariser haben auf der Plattform change.org bereits eine Petition gegen die neuen Verkaufsst­ände unterzeich­net. „Lasst uns den Geist des alten Paris bewahren“heißt es zur Begründung. „Wir sind für Kioske mit einem Design, das den Charme des Romantisch­en Paris‘ widerspieg­elt.“Genau dieser Charme sei es, der jedes Jahr mehr als 15 Millionen Besucher nach Paris bringe. Die alten Kioske stammen ursprüngli­ch aus dem Jahr 1857, der Zeit des Stadtplane­rs Georges-Eugène Haussmann, der Paris sein heutiges Stadtbild gab. Mit ihrem schnörkeli­gen, gusseisern­en Aussehen passen sie zu den altmodisch­en Parkbänken und Litfasssäu­len aus derselben Epoche. In den 1980er Jahren wurden sie durch „Remakes“ersetzt, die aus Metall und Glas bestehen. „Es gibt keine Kioske aus der Haussmann-Zeit mehr“, wehrt sich Hidalgo. „Was man heute sieht, sind nur Nachbauten aus Plastik.“Mit ihrer Modernisie­rung will sie den Zeitungsve­rkäufern in den Buden die Arbeit erleichter­n, die künftig beheizt und besser isoliert sein sollen. Die 360 Pariser Kioske sind schon lange in der Krise. Das Zeitungsge­schäft reicht kaum zum Überleben, so dass die Inhaber seit 2011 auch Souvenirs, Getränke und Regenschir­me verkaufen dürfen. Künftig sollen sie auch noch Konzertkar­ten ausgeben oder alte Batterien annehmen. Dass die Pavillons ganz verschwind­en, ist für die Pariser unvorstell­bar: Laut einer Umfrage gehören sie für 88 Prozent der Pariser ebenso zu ihrem Viertel wie die Metro-Haltestell­e. Zwei Drittel der „Parisiens“sind auch ihrem Zeitungsve­rkäufer treu, der oft schon seit Jahrzehnte­n in seinem grünen Häuschen sitzt und mit dem sie morgens gerne ein Schwätzche­n halten. So wie das einstige Top-Model Inès de la Fressange, das als Vorzeige-Pariserin schlechthi­n gilt und sich vor drei Jahren nicht zu schade war, für die Kioske Werbung zu machen. „Auch der Eiffelturm einmal sollte abgerissen werden“, erinnerte die einstige Chanel-Ikone.

Auf einen Schlag weltberühm­t wurden die Kioske nach dem Attentat auf die Zeitung „Charlie Hebdo“2015: Vor den Verkaufsst­änden bildeten sich lange Schlangen, als nur eine Woche nach dem Attentat die „Ausgabe der Überlebend­en“erschien. Fernsehsen­der aus aller Welt zeigten die Menschenma­ssen, die stundenlan­g für ein Exemplar der legendären Nummer 1178 anstanden.

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FOTO: LAIF Der tägliche Gang zum Kiosk ist für viele Pariser ein lieb gewonnenes Ritual.

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