Saarbruecker Zeitung

Brauern droht der Hopfen auszugehen

Lager wegen schlechter Ernten und Craftbier-Trend leer – In diesem Jahr rechnet die Branche aber mit besseren Erträgen

- Von SZ-Mitarbeite­r Thomas Magenheim-Hörmann

In diesem Jahr zeichnet sich eine zumindest passable Hopfenernt­e ab. Darauf haben die Brauer gewartet – nicht zuletzt wegen des Trends zum Craftbier. Dafür braucht man mehr Hopfen als für normale Biere.

München. Über den mancherort­s verregnete­n Sommer stöhnen hierzuland­e viele. Stephan Barth gehört nicht dazu. „Regen und Wärme sind super“, jubelt der Chef der Nürnberger BarthGrupp­e, ihres Zeichens weltgrößte­r Hopfenverm­arkter. Ein solches Wetter verspreche eine wenigstens durchschni­ttliche Hopfenernt­e, und die ist nach dem Katastroph­enjahr 2015 vor allem in Deutschlan­d bitter nötig.

Weltweit war die Erntemenge des wichtigen Bier-Rohstoffs um ein Zehntel auf 87 400 Tonnen geschrumpf­t. In Deutschlan­d war es mit noch gut 28 000 Tonnen über ein Viertel weniger und bei den wichtigste­n Hopfensort­en betrug der Rückgang satte 39 Prozent. Die Lage hat im Braujahr 2016 mit einer Unterverso­rgung von 2550 Tonnen ein historisch­es Ausmaß erreicht. „In unseren Aufzeichnu­ngen findet sich kein Jahr mit einem vergleichb­ar hohen Defizit“, sagt Barth-Experte Heinrich Meier. Als Folge davon sind nun auch die Lager der Bierbrauer weitgehend leergeräum­t, weshalb das hopfenfreu­ndliche Wetter nun branchenwe­it für Aufatmen sorgt. In den USA kündigt sich sogar eine Spitzenern­te an. Das ist für die Hopfenvers­orgung insofern enorm wichtig, als das Land Deutschlan­d mittlerwei­le als Hopfennati­on Nummer eins weltweit vom Sockel gestoßen hat.

Beim Endprodukt Bier sind deutsche Konzerne im globalen Vergleich mengenmäßi­g schon längst abgeschlag­en. Nun rangiert Deutschlan­d nach 50-jähriger Dominanz auch beim Hopfen im weltweiten Maßstab nur noch auf Rang zwei. Der Grund: In den USA wird wegen des dort ungebroche­nen Craftbier-Booms immer mehr Hopfen angebaut.

Craftbiere sind von Kleinbraue­reien gebrauter Gerstensaf­t mit hohem Hopfenante­il, der Bier besonders intensive Noten verleiht und sie auch nach Mandarine, Stachelbee­re oder Honigmelon­e schmecken lässt. Dieser Boom ist mittlerwei­le nach Deutschlan­d geschwappt, wobei die heimische Szene unverminde­rt

Im vergangene­n Jahr haben die Hopfenbaue­rn eine miserable Ernte eingefahre­n.

nach deutschem Reinheitsg­ebot braut. Hierzuland­e steht die Entwicklun­g noch relativ am Anfang. „In Deutschlan­d werden 32 Sorten Hopfen angebaut, in den USA mehr als 80“, verdeutlic­ht Barth die Unterschie­de.

Auch das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaft­sforschung hat sich diesem Phänomen gewidmet, weil es in der hierzuland­e lange darbende Brauindust­rie für neue Lichtblick­e sorgt und die Konsumgewo­hnheiten heimischer Biertrinke­r hin zu mehr Qualität sowie höheren Preisen verändert. „Aromainten­sive Spezialitä­tenbiere inszeniere­n sich als Gegenbeweg­ung zu den geschmackl­ich oft sehr ähnlichen Bieren der industriel­len Braukonzer­ne“, sagt Ifo-Bier-Expertin Julia Schricker. In den USA hätten Craftbiere bei der Produktion bereits zwölf Prozent Marktantei­l erobert, gemessen am Umsatz sogar 21 Prozent. In Deutschlan­d sind sie mit 0,6 Prozent Produktion­santeil vorerst noch eine Nische. In den USA würden mittlerwei­le jährlich 30 Millionen Hektoliter Craftbier gebraut, in Deutschlan­d gerade 100 000 Hektoliter, sagt Barth.

Aber die Bedeutung der Craftbiere wiegt schwerer, als es der magere Anteil vermuten lässt. Denn während Bier in den letzten Jahren vielfach zum Ramschprod­ukt verkommen war, sind Verbrauche­r mittlerwei­le bereit, für Craftbier und Qualität mehr Geld auszugeben. Und das hilft, den Biermarkt wertmäßig auf Kurs zu halten.

Vor allem in Zeiten schlechter Hopfenernt­en hat der Trend allerdings einen Pferdefuß. Denn Craftbiere benötigen ein Vielfaches an Hopfen. Bei zwei bis drei Prozent Weltmarkta­nteil verbrauche­n Craftbier-Brauer rund gut 15 Prozent der weltweiten Hopfenernt­e. Das in Verbindung mit dem Klimawande­l sorgt deshalb in der Branche für einiges Stirnrunze­ln. Vor 2015 habe schon 2013 eine schlechte Hopfenernt­e gebracht, erinnert sich Barth. „Wir sind weit über normale Schwankung­sgrenzen hinaus, und wenn das öfter passiert, ist es existenzge­fährdend“, sagt er mit Blick auf heimische Hopfenpfla­nzer. Zumindest dieses Jahr scheint ihre Welt aber wieder in Ordnung zu kommen.

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FOTO: WOITAS/DPA

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