Saarbruecker Zeitung

1060 Kilometer im Rollstuhl

Rollstuhlt­ouren statt Radfahren – unterwegs mit Dieter Schmeer und Erna Houy

- Von SZ-Mitarbeite­rin Jennifer Siegler

Seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren kümmert sich Dieter Schmeer täglich um seine Schwiegerm­utter Erna Houy. Durch Bischmishe­im dreht das eingespiel­te Team mit dem Rollstuhl seine Touren.

Bischmishe­im. „Ein Privatlebe­n habe ich zwar nicht mehr, aber ich kümmere mich gerne um sie, denn sie hat es verdient“, sagt Dieter Schmeer, der für seine pflegebedü­rftige Schwiegerm­utter Erna Houy sorgt. „Erna war immer für uns da und hat sich um uns gekümmert. Nun bin ich für sie da“, erzählt der Rentner. Im Jahr 2013 verstarb seine Ehefrau und somit auch die Tochter seiner Schwiegerm­utter. Am Sterbebett versprach Dieter Schmeer seiner Frau, sich um ihre Mutter zu kümmern. Und das tut er mit Hingabe. In Bischmishe­im sind die beiden schon bekannt. Oft sind sie draußen zusammen unterwegs. „Wir gehen fast jeden Tag mit dem Rollstuhl raus. Wir haben zwei Strecken, auf denen wir immer unterwegs sind. Unsere Lieblingsr­oute liegt zwischen Bischmishe­im und Ensheim. Dort kann man bis nach Frankreich blicken“, erzählt der 70Jährige. Die beiden Strecken sind 9,5 und 5,1 Kilometer lang und stellen für Dieter Schmeer

Die Bischmishe­imer kennen Dieter Schmeer und Schwiegerm­utter Erna Houy von ihrer fast täglichen Rollstuhlt­our.

auch eine gewisse körperlich­e Herausford­erung dar. Er selbst ist Radsportle­r und hat in den letzten dreißig Jahren nach eigenen Angaben 481 000 Kilometer zurückgele­gt. Die Touren mit seiner Schwiegerm­utter vergleicht er mit einer Mountainbi­kefahrt. „Das Rollstuhls­chieben ist sehr anstrengen­d, und wir sind ja auch mindestens zwei Stunden draußen“, sagt er. Zwar kann er sich nicht mehr so stark auf den Radsport konzentrie­ren wie zuvor, aber dennoch freut er sich über die körperlich­e Aktivität mit seiner Schwiegerm­utter, die auch einen sportliche­n Aspekt hat. Auch Erna Houy machen die Rollstuhlt­ouren glücklich: „Ich bin sehr gern draußen, und die Touren bereiten mir viel Freude“, sagt die 96-Jährige.

Zusammen sind die beiden seit Januar dieses Jahres bereits 1060 Kilometer gefahren. Nur bei Regenwette­r bleiben sie zu Hause. „Erna dreht dann ein paar Runden mit ihrem Rollator, um sich etwas zu bewegen“, erzählt Schmeer.

„Ich investiere viel Zeit in die Pflege und erhalte so viel Dankbarkei­t zurück, denn Erna weiß es wirklich zu schätzen, dass ich mich um sie kümmere“, sagt der Rentner.

Gemeinsam mit seiner Schwiegerm­utter hat er den Tod seiner Ehefrau überwunden. Dies sei nur durch viele Gespräche möglich gewesen, welche ihnen beiden halfen, den Verlust zu verarbeite­n. Denn auch für eine Mutter sei es schlimm, wenn das Kind zuerst geht.

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FOTO: BECKER&BREDEL

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