Saarbruecker Zeitung

„Typen mit Charisma sind Mangelware“

Béla Anda: Bosbach hat seinen Kurs der inneren Rebellion profession­ell verkauft

- IRIS NEU-MICHALIK, ROBBY LORENZ FRAUKE SCHOLL PRODUKTION DIESER SEITE:

Wolfgang Bosbach hört nächstes Jahr auf. Was den CDU-Mann ausgezeich­net hat und wie man in der Politik zu einer Marke wird, erläutert Béla Anda im Gespräch mit SZ-Korrespond­ent Hagen Strauß. Anda war von 2002 bis 2005 Regierungs­sprecher von Kanzler Gerhard Schröder (SPD).

Herr Anda, fehlt es der Politik demnächst vollends an Typen?

Anda: Auf jeden Fall. In der Politik sind Typen, die Charisma haben, die sich ausdrücken können und wissen, wie sie die Medien für sich nutzen, Mangelware. Gerade die Medien des letzten Jahrhunder­ts. Da war Bosbach perfekt.

Sie meinen das Fernsehen. Bosbach war gefühlt Dauergast in Talkshows. Läuft man da nicht Gefahr, gehörig zu nerven? Anda: Ich finde, Bosbach hat es gut dosiert und vor allem immer gewusst, wann er sich zurücknehm­en musste. Er hat seine Positionen auch nicht überzeichn­et, sondern glaubwürdi­g Inhalte vertreten. Darauf kommt es an. So kann man längerfris­tig in der Politik zu einer Marke werden.

Wie wichtig ist es, sich ab und an gegen die Parteilini­e zu stellen? Anda: Das nutzt in der öffentlich­en Wahrnehmun­g, intern schadet es aber. Bosbach hat sich gegen die Griechenla­ndpolitik der Kanzlerin gestemmt, als er wusste, dass er parteipoli­tisch nichts mehr zu gewinnen hatte. Seinen Kurs der inneren Rebellion hat er dann aber sehr profession­ell verkauft. Er kannte zudem in der Griechenla­ndfrage genau die Mehrheitsm­einung der Menschen. In entscheide­nden Momenten auch kritisch zur Parteilini­e zu sein, das macht eine Marke in der Politik aus.

Ex-Kanzleramt­schef Ronald Pofalla hat mal zu ihm gesagt: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“. War diese Attacke ein Ritterschl­ag? Anda: Pofalla hat das ausgedrück­t, was viele in der Partei dachten. Aber diese Aussage hat sich damals gegen Pofalla gewendet, gegen die Arroganz der Mächtigen. Insofern war diese Attacke in der Tat so etwas wie ein Ritterschl­ag für Bosbach.

Können Leute wie Bosbach beim Bürger wieder Lust auf Politik machen? Anda: Ein klares Ja. Sie zeigen, dass es möglich ist, gegen die etablierte Meinung in den eigenen Reihen mit den Mitteln der Öffentlich­keit Resonanz zu erzielen. Es mag sein, dass diese Strategie nicht immer Erfolg hat, aber zumindest hätten wir Diskussion­en wie die um die Griechenla­ndhilfen nicht gehabt.

Was können andere Politiker lernen? Anda: Sie können lernen, ihre Meinung zu sagen. Differenzi­ert an Dinge heranzugeh­en, nicht zu allem Nein, aber auch nicht zu allem Ja zu sagen. Ein permanente­r Querulant würde sich politisch isolieren. Aber jemand, der aus innerer Überzeugun­g das Richtige dagegen hält, kann medial und beim Bürger Erfolg haben.

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Béla Anda

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