Ein wenig Sand in einem gut geölten Autogetriebe
Der Streit zwischen VW und einem Zulieferer wirft viele Fragen auf
Saarbrücken. In der AutomobilZulieferindustrie geht es zu wie in der Tierwelt. Da gibt es Tier 1, Tier 2 oder Tier 3. Ganz oben thronen die Autobauer – egal ob sie Ford, VW oder Daimler heißen. Die Tier-1-Firmen sind deren Hoflieferanten. Sie steuern zum Auto zentrale Aggregate wie Motorblöcke, wichtige Getriebeteile oder komplette Bausätze bei. Darunter rangieren die niederen Gattungen, die entweder den Autohersteller oder ein Tier 1 als Kunden haben.
Diese Hackordnung ist seit Jahrzehnten in der automobilen Welt anerkannt. Das Zusammenspiel der Akteure läuft zudem erstaunlich gut, obwohl die Fertigung eines Autos inzwischen eine höchst komplizierte Angelegenheit ist. Alle Rädchen müssen exakt ineinander greifen. Kein Pkw ist wie der andere, jedes Modell ist in Aussehen, Motorisierung und Ausstattung ein Unikat. Die Anlieferung der einzelnen Bauteile unterliegt einem minutiös ausgearbeiteten Zeitplan, der von einer komplexen IT gesteuert und überwacht wird. Täglich verlassen so tausende technisch bestens ausgerüsteter Autos die Fabriken. Zudem werden die Modellzyklen immer kürzer, was dem gesamten Apparat weitere Anstrengungen abverlangt.
Bislang lief das Ganze äußerst diskret ab. Streitigkeiten wurden intern geklärt und nicht an die große Glocke gehängt. Die Zulieferer stöhnten zwar gelegentlich wegen der rigiden Preis- und Qualitätsvorgaben der Autobauer. Auch dass der eine oder andere Einblick in die Bücher und Bilanzen haben wollte, störte manchen gewaltig. Doch den offenen Zulieferer namens Prevent, den vor einer Woche noch niemand kannte, hatte einen Lieferstopp gegen den Wolfsburger Konzern verfügt. Massenweise Kurzarbeit und ein sündhaft teurer Produktionsausfall waren die Folge.
Gestern haben sich die Streithähne zwar geeinigt und öffentlichkeitswirksam eine Friedenspfeife geraucht. Doch bei näherer Betrachtung war der Anlass nichtig. VW soll einen Entwicklungsauftrag gekündigt und größere Entschädigungszahlungen verweigert haben. Die Rede ist von 58 Millionen Euro. Bei einem Einkaufsvolumen von jährlich 149 Milliarden Euro ist das zumindest für die Wolfsburger eine lächerlich geringe Summe.
Die zentrale Frage des „Cui bono?“(Wem nützt es?) wird nicht beantwortet. War VW in seinen Forderungen zu dreist geworden? War es ein Erpressungsversuch von Prevent, um noch einmal Kasse zu machen, bevor die für VW so wichtigen Zulieferbetriebe meistbietend verkauft werden – vielleicht an Volkswagen selbst? Über die Hintergründe ist Stillschweigen vereinbart. Vermutlich wird sich der Mantel des Schweigens auch wieder über das ganze „Tier“-Reich legen. Man hat ja Wichtigeres zu tun – nämlich Autos zu bauen.