Saarbruecker Zeitung

Überfällig­e Inventur

Das neue Zivilschut­zkonzept hat nichts mit Panikmache zu tun

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Schärfere Sicherheit­sgesetze, Debatte über Bundeswehr­einsätze im Innern, Burkaoder Rucksack-Verbote und noch mehr VideoÜberw­achung – es ist schon ein ganze Menge, was da in den vergangene­n Tagen und Wochen für allgemeine Aufregung sorgt. Selbst politisch interessie­rten Zeitgenoss­en dürfte es daher zunehmend schwerfall­en, stets den Überblick zu behalten. Ganz zu schweigen von denen, die am liebsten gar nichts mehr davon hören wollen, weil sie sich schon genug verunsiche­rt fühlen. Denn das ist das Grundprobl­em: Es geht viel zu viel durcheinan­der. Mehr oder minder sinnvolle Maßnahmen zur inneren Sicherheit werden mit mehr oder minder intelligen­ten Vorschläge­n zur Integratio­n vermengt, und am Ende weiß keiner mehr genau, wo vorn und hinten ist.

Das zuletzt in immer mehr streitbare­n Details bekannt gewordene Zivilschut­zkonzept der Bundesregi­erung inklusive einer möglichen Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t scheint ein weiterer Beleg für diesen Missstand zu sein. Zumindest herrscht abermals das Gefühl vor, es handele sich um politische­n Aktionismu­s. Höchste Zeit, die Debatte zu versachlic­hen. Schon im vergangene­n Jahr und damit lange vor den Terror-Ereignisse­n in Süddeutsch­land waren Pläne der großen Koalition zur Inventur des Zivilschut­zes bekannt geworden. Die geltenden Bestimmung­en stammen noch

GLOSSE aus den 1990er Jahren, als die Welt auf ewig im Zustand eines friedliche­n Miteinande­rs zu sein schien. Heute wird niemand behaupten, dass sich dieser Traum erfüllt hat. Erinnert sei nur an den 11. September 2001 oder die Krim-Invasion 2014.

In der aktuellen Fassung des Zivilschut­zkonzepts, die heute vom Kabinett verabschie­det werden soll, wird ein Angriff auf deutsches Territoriu­m als unwahrsche­inlich eingestuft. Und damit auch die Notwendigk­eit der Landesvert­eidigung. Käme es jedoch anders, wären die Kritiker dieses Konzepts garantiert die Ersten, die eine mangelnde Vorsorge beklagten. Was nun die Wehrpflich­t angeht, so ist sie nie abgeschaff­t, sondern nur ausgesetzt worden. Dazu bedurfte es 2011 nicht mal einer Verfassung­sänderung. Denn im Grundgeset­z ist festgelegt, dass erwachsene Männer zum Wehrdienst verpflicht­et werden „können“. Nach geltender Rechtlage lebt die Wehrpflich­t nur im Spannungs- und Verteidigu­ngsfall wieder auf.

So gesehen enthält das Zivilschut­zkonzept an dieser Stelle keine Neuigkeit. Es weist nur auf die bestehende Möglichkei­t der Wehrpflich­t hin. Eine Möglichkei­t, von der Deutschlan­d hoffentlic­h nie wieder Gebrauch machen muss, wofür es aber angesichts einer konfliktre­ichen Welt keine Garantie geben kann. Manche nennen das Panikmache. Wer das tut, trägt freilich selbst zur Panikmache bei.

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Von Stefan Vetter

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