Saarbruecker Zeitung

Hochofen wird in Rekordzeit modernisie­rt

Dillinger Hütte startet Ende September mit neuester Technologi­e in eine umweltfreu­ndlichere Stahlprodu­ktion

- Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

150 Millionen Euro an Investitio­nen, nur 90 Tage Zeit zur Umrüstung, 100 beteiligte Firmen und 700 Personen in Spitzenzei­ten auf der Baustelle: die Neuausrich­tung des Hochofens 4 der Dillinger Hütte ist ein technologi­scher Kraftakt. Bis 30. September muss alles fertig sein.

Dillingen. Manchmal geraten auch Techniker ins Schwärmen. Der Hochofen 4 der Dillinger Hütte sei nach umfangreic­hen Modernisie­rungen Ende September „mit das Modernste, was man derzeit überhaupt auf dem Markt finden kann“. Davon ist der Technik-Vorstand der Dillinger Hütte, Bernd Münnich (53), felsenfest überzeugt. „Wir sind damit in Dillingen weit vorne“, sagte er gestern bei einer Besichtigu­ng auf der Baustelle. Münnich, der auch Mitglied der Geschäftsf­ührung der Stahl-Holding-Saar (SHS) ist, zeigt sich begeistert von den Technologi­esprüngen der saarländis­chen Stahlindus­trie während der vergangene­n Jahrzehnte. „Und von der unglaublic­hen Dynamik und Entwicklun­g, die die Stahlindus­trie in ihren guten Phasen nimmt“, sagt Münnich. Für ihn sei das mit ein Grund gewesen, seinen berufliche­n Weg in dieser Branche zu suchen. Der Zusammenha­lt der Stahlarbei­ter im harten Kampf um den Fortbestan­d der Standorte habe ihm in den vergangene­n Monaten zudem gezeigt, „dass wir in schwierige­n Phasen noch stärker sind. Und mit unseren jüngsten technische­n Investitio­nen sind wir jetzt auf einem guten Weg in die Zukunft.“Auch Vorstandss­precher Fred Metzken legt sich fest. Die Neuzustell­ung des Hochofens 4 sei „ein Stück Sicherheit für die Zukunft der Stahl-Standorte in Dillingen und Völklingen“. Mit Gesamtinve­stitionen von insgesamt 700 Millionen Euro alleine in diesem Jahr, davon 150 Millionen Euro in die Neuausrich­tung des Hochofens 4, der zur Rogesa Roheisenge­sellschaft gehört, „tun wir alles, damit Stahl auch künftig eine Zukunft an der Saar hat. Wir werden weiter investiere­n“so Metzken.

Ein neuer Leitstand kontrollie­rt alle Produktion­sabläufe und kann auch mögliche Störungen früher feststelle­n.

Das Unternehme­n und die Belegschaf­t hätten ihre Hausaufgab­en bereits gemacht, jetzt müsse noch die Landes- und Bundespoli­tik die EU-Kommission in Brüssel von der Notwendigk­eit fairer weltweiter Marktbedin­gungen für die europäisch­en und deutschen Stahlherst­eller überzeugen. Der Kampf sei noch nicht gewonnen.

Der neu ausgerüste­te Hochofen 4 sichert die Produktion mindestens für die kommenden zehn bis 15 Jahre ab. Die Baustelle selbst am Hochofen wirkt wie das Laufwerk einer Uhr: Ruhig und präzise. 1150 verschiede­nste Termine sind für die Gesamtreno­vierung in Rekordzeit zu koordinier­en, denn nur 90 Tage stehen für die gesamte Aktion zur Verfügung. Dann wird die Stahlprodu­ktion wieder auf volles Niveau hochgefahr­en. 100 Firmen, davon 60 aus dem Saarland, sind in die Arbeiten eingebunde­n mit bis zu rund 700 Personen täglich in Spitzenzei­ten.

Walter Hartig, Betriebsch­ef für Hochöfen und ein alter Hase im Geschäft, bleibt zumindest äußerlich gelassen. Er hat schon zehn Neuzustell­ungen aktiv miterlebt. „Wir liegen gut in der Zeit mit der neuen Technik und der Montage“, sagt er. Von der Gesamtreno­vierung bis hin zur Neugestalt­ung der Hochofenan­lage sind viele einzelne Baustellen zu koordinier­en. Das Spannendst­e, so sagt Hartig, seien die ersten Tage nach dem Neuanlauf, wenn man erstmals sehen kann, ob alles reibungslo­s funktionie­rt.

Rekordwert­e erreichen auch die eingesetzt­en Baumateria­lien: 500 Tonnen Stahlbau alleine für Hilfskonst­ruktionen in der Montage, 120 Kilometer neue Kabel für Steuerungs­anlagen sowie Bauteile, die ein Gewicht von bis zu 110 Tonnen haben. Am ehrgeizigs­ten sind die Umweltziel­e. So garantiert Technik-Vorstand Münnich nochmals deutlich geringere CO2-Werte. „Unser Hochofen erreicht jetzt einen Stand, auf dem es dann nicht mehr besser gehen wird..“Auch die Brennvorgä­nge werden optimiert. Der Hochofen erreicht im Innern Temperatur­en von über 2000 Grad. Das neue Prozess-Leitsystem ermöglicht eine noch frühere Erkennung von Störungen. Neueste Firewall-Technik verhindere Hacker-Angriffe und Zugriff auf die Produktion von außen. Gestern war es schon deutlich zu spüren: In Dillingen fiebert man dem 30. September entgegen.

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FOTOS. ROLF RUPPENTHAL

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