Saarbruecker Zeitung

„Wir sind die ganze Zeit belächelt worden.“

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180 000 Menschen im Jahr nach Mörsdorf locken. Schon am Eröffnungs­wochenende im Oktober wurde die Ortsgemein­de überrannt. Bisher sind es schon 290 000 Besucher, Kirchhoff erwartet für das ganze erste Jahr 320 000. Auch viele Saarländer kommen über die Hunsrückhö­henstraße nach Mörsdorf.

Der kleine Ort ist tagsüber voller Touristen, neue Gastronomi­e-Betriebe haben eröffnet. Die Gemeinde hat 650 Parkplätze auf vier großen Flächen angelegt – und ein Parkleitsy­stem wie auf einem Messegelän­de. Weil die Besucher anfangs den ganzen Ort zuparkten, herrscht jetzt überall Halteverbo­t. Die Einheimisc­hen haben Anwohnerpl­aketten bekommen.

Die Idee für die Brücke hatten 2006 drei Einwohner, die im Ort „BrückenTrä­umer“genannt wurden, darunter der spätere Bürgermeis­ter Kirchhoff. Sie überlegten sich in einem Workshop zur Dorferneue­rung, wie Mörsdorf attraktive­r werden kann. „Uns war es ein großes Anliegen, dass wir nicht aussterben“, sagt Kirchhoff. Schnell war klar: Wirtschaft­lich hat Mörsdorf keine Chance, mitten im Hunsrück, ohne AutobahnAn­schluss. So entstand die Idee, über das Tal eine Hängeseilb­rücke zu bauen. „Es gab Gelächter und Unglauben, der Gemeindera­t hat das ziemlich kurzfristi­g ad acta gelegt“, sagt Kirchhoff.

Dann kandidiert­e Kirchhoff 2009 selbst für den Gemeindera­t und setzte das Thema wieder auf die Tagesordnu­ng. Mit Erfolg. 2010 beschloss der Rat den Bau der Brücke. Richtig daran glauben wollte noch niemand. „Wir sind die ganze Zeit belächelt worden“, sagt Kirchhoff. Die drei „Brücken-Träumer“erhielten den Auftrag, sich um alles zu kümmern.

Als erstes suchte Kirchhoff per Internet einen Ingenieur, der eine solche Brücke bauen kann. Er fand einen in der Schweiz. Der Spezialist reiste nach Mörsdorf, sah sich das Tal an – und war begeistert. Die Lokalpress­e berichtete ausgerechn­et an einem 1. April über den Besuch. „Und alle sagten: Das ist

Ortsbürger­meister Marcus Kirchhoff über den Plan zum Bau der Brücke

ja wohl ein Aprilscher­z. Das war typisch“, sagt Kirchhoff über die damalige Stimmung im Ort.

Dafür fanden das Land Rheinland-Pfalz und die EU Gefallen an dem Plan und sagten Fördergeld­er zu. Die „Brücken-Träumer“warben auch bei Nachbarort­en um Geld. Am Ende kostete das Projekt 1,2 Millionen, Mörsdorf schulterte 400 000 Euro.

Im Mai 2015 begann der Bau, im Oktober war die Eröffnung. Zwischendu­rch schaltete sich der Rechnungsh­of ein: Die Fördergeld­er seien nicht gerechtfer­tigt, die Brücke viel zu teuer und die prognostiz­ierten Besucherza­hlen viel zu hoch. „Die haben uns in Grund und Boden geschimpft“, sagt Kirchhoff.

Im Dorf herrscht Aufbruchst­immung. Die meisten Menschen seien begeistert, sagt Kirchhoff. In Eigenregie haben die Mörsdorfer ein Besucherze­ntrum gebaut, in dem es ein Infotermin­al, Toiletten und eine Gastronomi­e gibt. Allerdings sind nicht alle in Mörsdorf mit der Brücke froh: „Es gibt Bürger, die sich gestört fühlen und keine Freude an der Brücke und den vielen Menschen haben“, sagt Kirchhoff. Das sei eine kleine Minderheit, fünf, sechs Leute. Kirchhoff spricht von „Aggressore­n“, die auch schon mal die Beschilder­ung manipulier­ten.

Hohe Einnahmen für den Haushalt generiert Mörsdorf mit seiner Attraktion nicht, die kommen eher aus den Windrädern im Ort. Die Parkgebühr­en von zwei Euro für vier Stunden werden genutzt, um die Brücke, Wege und Toiletten zu unterhalte­n, Müll zu entsorgen oder neue Parkplätze anzulegen. „Es werden sicher noch viele, viele Menschen kommen. Vielleicht nicht so viele wie dieses Jahr“, sagt Kirchhoff. Aber 150 000 im Schnitt der nächsten Jahre, „das wäre gesund“.

geierlay.de

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