Saarbruecker Zeitung

Tödlicher Kampf der Geschlecht­er

Spinnen-Weibchen attackiere­n Männchen bei der Paarung – Doch die haben eine raffiniert­e Gegenstrat­egie

- Von SZ-Mitarbeite­r Michael Stephan

Die Männchen der Radnetzspi­nne haben einen einfachen und zugleich sehr groben Weg gefunden, die eigene Nachkommen­schaft zu sichern. Wie Biologen der Uni Greifswald berichten, verstümmel­n sie nach dem Sex die äußeren Geschlecht­sorgane der Weibchen, so dass die sich nicht mehr mit anderen Männchen paaren können.

Greifswald. Spinnen können ihren Artgenosse­n richtig gefährlich werden. Für die Männchen ist zum Beispiel die Paarung lebensgefä­hrlich. Kreuz- und Wespenspin­nenweibche­n fressen ihren Sexualpart­ner während oder kurz nach der Paarung gerne auf. Biologen sprechen von sexuellem Kannibalis­mus. Für dieses Benehmen gibt es in der Wissenscha­ft mehrere Erklärungs­ansätze: Manche Forscher meinen, dass die Männchen für die Spinnendam­en eine willkommen­e Nahrungsre­serve seien, die sie für die Zeit nach der anstrengen­den Paarung gut gebrauchen können. Andere gehen davon aus, dass die Weibchen von Natur aus aggressiv sind. Es gibt auch die Ansicht, dass diese Form des Kannibalis­mus verhindern soll, dass sich das Männchen weiteren Nachwuchs zeugen kann.

Auf den ersten Blick hat das Spinnenwei­bchen bei der Paarung alle Vorteile auf seiner Seite. Es wählt seinen Partner aus. Und diese Wahl ist nur aus Sicht des Männchens wirklich endgültig, denn das Weibchen kann die Befruchtun­g seiner Eier noch verhindern. Spermienüb­ertragung und Befruchtun­g können bei diesen Tieren Stunden, Tage und sogar Monate auseinande­r liegen, besonders bei Tieren, bei denen die Weibchen die Spermien in besonderen Behältern, den Spermathek­en, speichern.

Es kann im Spinnenrei­ch vorkommen, dass ein Weibchen versucht, sich mit einem oder mehreren Männchen zu paaren, bevor es Eier legt. Die Sper- mien verschiede­ner Männchen konkurrier­en dann um die Befruchtun­g der Eier. Welchen biologisch­en Sinn hätte es da, sein Leben zu opfern, um vielleicht Nachwuchs zeugen zu können? Es gibt aus diesem Grund im Spinnenrei­ch raffiniert­e Gegenstrat­egien, um im Kampf der Geschlecht­er wieder Waffenglei­chheit zu erlangen. Spinnenmän­nchen ergreifen Gegenmaßna­hmen, um Nebenbuhle­rn die Chance zu nehmen, mit ihrem Weibchen Nachwuchs zu zeugen.

Forscher der Uni Greifswald haben jetzt entdeckt, dass Spinnenmän­nchen ihre Vaterschaf­t durch die Verstümmel­ung oder komplette Zerstörung der äußeren Genitalorg­ane der Weibchen sichern. Konkret wurde das bei der Radnetzspi­nne Larinia jeskovi nachgewies­en. Die Männchen dieser Spinnenart zwicken eine äußere Struktur der weiblichen Genitalreg­ion, den Scapus, mit ihren Kopulation­sorganen ab. Ohne diese Struktur ist danach eine Kopplung der Genitalien und somit eine weitere Befruchtun­g für das weibliche Tier nicht möglich.

Für ihre Analyse haben die Forscher Spinnenpaa­re während der nur wenige Sekunden dauernden Kopulation mit Hilfe eines hochauflös­enden Röntgen-Computerto­mographen beobachtet. Das Phänomen untersucht­en die Forscher auch im Freiland. „Bei allen Weibchen, die am Ende der Paarungssa­ison in den Sümpfen des Biebrza Nationalpa­rks in Polen gesammelt wurden, fehlte der Scapus“, erklärt die Greifswald­er Zoologiepr­ofessorin Gabriele Uhl.

Spinnenmän­nchen nutzen umgewandel­te Beine als Kopulation­sorgane. An ihnen lagern sie ihr Sperma und übertragen es ins Weibchen. Die Greifswald­er Forscher haben entdeckt, dass es neben der spermienüb­ertragenen Struktur weitere Fortsätze an diesen männlichen Kopulation­sorganen gibt, die sowohl die Verhakung als auch die Entfernung des Scapus gewährleis­ten. Hinweise auf eine äußere Genitalver­stümmelung fanden die Biologen bisher bei weiteren 80 Spinnenart­en. Sie schließen daraus, dass das Phänomen bei diesen Tieren weit verbreitet ist.

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FOTO: UNI GREIFSWALD/ UHL Radnetzspi­nnen-Männchen sichern ihre Vaterschaf­t durch die Zerstörung der äußeren Genitalorg­ane der Weibchen.

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