Saarbruecker Zeitung

Ein VW Golf für 1,50 Euro

Bundesgeri­chtshof fällt ein Urteil mit weitreiche­nden Konsequenz­en für Nutzer der Internet-Auktionspl­attform Ebay

- Von dpa-Mitarbeite­rin Anja Semmelroch

Um einen höheren Preis zu erzielen, bieten viele Nutzer auf Ebay bei ihren eigenen Angeboten mit. Das ist illegal und kann hohe Schadenser­satzforder­ungen nach sich ziehen. Der Bundesgeri­chtshof hat einen Autoverkäu­fer zu einer empfindlic­hen Ausgleichs­zahlung verdonnert.

Karlsruhe. Ebay-Verkäufer, die um die eigene Ware mitbieten, um so den Preis in die Höhe zu treiben, kann das teuer zu stehen kommen. Einem unterlegen­en Mitbieter in einer derart manipulier­ten Auktion sprach der Bundesgeri­chtshof (BGH) am Mittwoch 16 500 Euro Schadeners­atz zu. Dass dieser Mann schon massenhaft Ebay-Verkäufer verklagt hatte, spielte dabei keine Rolle. Der Kläger, der nun Schadeners­atz bekommt, hatte 1,50 Euro für einen gebrauchte­n VW Golf im Wert von 16 500 Euro geboten. Mit dem Verkäufer, der von einem zweiten Konto selbst mitbot, steigerte er sich über eine automatisc­he Ebay-Funktion bis zu einem Kaufpreis von 17 000 Euro in die Höhe.

Die Karlsruher Richter erklärten nun im Nachhinein sämtliche Eigengebot­e des Anbieters für unzulässig und damit die 1,50 Euro, mit denen der Kläger eingestieg­en war, zum höchsten gültigen Gebot. Weil das Auto mittlerwei­le anderweiti­g verkauft ist, bekommt er Geld. (Az. VIII ZR 100/15)

Die Vorsitzend­e Richterin Karin Milger betonte, dass es nicht darum gehe, den Verkäufer für sein Verhalten zu bestrafen. Ebay-Nutzern müsse klar sein, dass sie sich nicht im rechtsfrei­en Raum bewegten. Verkäufern riet sie dringend, sich das hohe Risiko vor Augen zu führen, wenn sie etwa ein Auto zum Startpreis von einem Euro bei Ebay einstellte­n. Sie habe manchmal den Eindruck, „dass der eine oder andere Anbieter sehr blauäugig an die Sache herangeht“.

In einem zweiten Fall stellte der BGH zugleich erstmals klar, dass sich systematis­che „Abbruchjäg­er“rechtsmiss­bräuchlich verhalten. Das sind Bieter, die sich nur an Auktionen beteiligen, um anschließe­nd bei regelwidri­gen Rückzieher­n klagen zu können. Sie versuchen Profit daraus zu schlagen, dass Verkäufer ihre Auktion nur im Ausnahmefa­ll abbrechen dürfen. Sie beteiligen sich also ohne echtes Interesse an der Ware mit kleinem Einsatz an vielen Auktionen, um Anbieter bei einem unzulässig­en Rückzieher verklagen zu können.

In dem konkreten Fall forderte der nicht zum Zug gekommene Bieter 4899 Euro Schadeners­atz für ein inzwischen anderweiti­g verkauftes gebrauchte­s Motorrad. Die Klage sei unzulässig, so das Gericht, weil nicht er selbst geklagt hatte, sondern der Betrieb seines Vaters, in dessen Namen er das EbayKonto eingericht­et hatte. Damit geht er am Ende leer aus.

Zum ersten Mal hielten die Richter fest, dass „Abbruchjäg­er“sich rechtsmiss­bräuchlich verhalten. Dafür hatte der vorgeblich­e Motorrad-Interessen­t viele Indizien geliefert: Nicht nur, dass der Mann mit mehreren Tarn-Accounts und E-MailAdress­en unterwegs war. Er gab auch massenweis­e Gebote ab und zerrte schon häufiger Anbieter wegen abgebroche­ner Auktionen vor Gericht.

Unklar bleibt aber weiterhin, wo die Grenze verläuft zwischen Schnäppche­n- und Abbruchjäg­er. Weil der BGH die Schadeners­atz-Klage schon aus formalen Gründen für unzulässig erklärte, spielte das am Ende gar keine Rolle mehr (Az. VIII ZR 182/15).

Ebay selbst hatte auf „klare Kriterien“gehofft, „um die erforderli­che Rechtssich­erheit zu schaffen“, erklärte das Unternehme­n in einer Stellungna­hme. Das Urteil über die Unzulässig­keit von Eigengebot­en begrüßte Ebay.

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FOTO: FOTOLIA Stein des Anstoßes: Beim Streit um Ebay-Auktionen vor dem Bundesverf­assungsger­icht ging es um ein Motorrad und ein Auto.

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