Saarbruecker Zeitung

Große Mängel bei Unterricht für Flüchtling­e

Zu wenig Lehrer, zu wenig Angebote – Viele Migranten scheitern bei Sprachkurs­en

- Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter

Neue Zahlen belegen großen Nachholbed­arf bei den Integratio­nskursen für Flüchtling­e. Vor allem ein Mangel an Lehrern ist für das zu geringe Angebot verantwort­lich. Auch die Qualität steht in der Kritik. Berlin. Flüchtling­e sollen schnell Deutsch lernen, fordern Politiker. Aber die angebotene­n Integratio­nskurse reichen bei weitem nicht aus, um mit der Nachfrage Schritt zu halten. Das geht aus aktuellen Daten des Bundesinne­nministeri­ums hervor, die der SZ vorliegen. In erster Linie fehlt es an Lehrkräfte­n.

Den Angaben zufolge haben von Januar bis August dieses Jahres etwa 171 000 Zuwanderer einen Integratio­nskurs begonnen. Im gleichen Zeitraum erteilte das Bundesamt für Migration und Flüchtling­en (Bamf) jedoch mehr als doppelt so vielen, nämlich 366 000 Neuankömml­ingen, eine Teilnahmeb­erechtigun­g.

Im laufenden Bundeshaus­halt sind 559 Millionen Euro für Integratio­nskurse eingeplant. Bis August wurden davon aber erst 262 Millionen Euro ausgegeben. 2017 sollen die Mittel nach dem Willen der Bundesregi­erung auf 610 Millionen Euro aufgestock­t werden.

Offenkundi­g ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nicht nur ein finanziell­es Problem. Es mangelt an Lehrern. Nach Angaben der Bundesregi­erung unterricht­en in Integratio­nskursen derzeit rund 15 000 Lehrkräfte. Das Bamf hat 2015 und 2016 aber 20 000 Lehrkräfte zugelassen. Die Diskrepanz hängt vermutlich auch mit der bis vor kurzem noch relativ geringen Entlohnung der Lehrer zusammen. Zum 1. Juli wurde die Mindestver­gütung, die Integratio­nskursträg­er den selbststän­dig beschäftig­ten Lehrkräfte­n zahlen, von 23 auf 35 Euro pro Stunde angehoben. Dadurch könnte sich die Personalsi­tuation entspannen.

Keine Zusatzqual­ifizierung

Ein weiteres Problem scheint die Qualität des Unterricht­s zu sein. So haben 2015 nur knapp zwei Drittel aller Kursteilne­hmer das Sprachnive­au B1 geschafft, das als Voraussetz­ung für eine realistisc­he Chance auf dem Arbeitsmar­kt gilt. Laut Bundesregi­erung unterricht­en derzeit rund 1400 Lehrer mit einer Ausnahmege­nehmigung. Das bedeutet, sie haben keine Zusatzqual­ifizierung.

Der Haushaltsp­olitiker der Linken, Roland Claus, der die neuen Zahlen beim Innenminis­terium abgefragt hat, fordert gegenüber der SZ eine bedarfsger­echte Planung der Integratio­nskurse. Sie seien „für Geflüchtet­e die entscheide­nden Schritte in Ausbildung und Arbeit“.

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