Saarbruecker Zeitung

Katholisch­er Pfarrer, verheirate­t, ein Kind

Entscheidu­ng aus Liebe: Der frühere Oberthaler Pfarrer Michael Pauken und sein neues Leben als Ehemann und Vater

- Von SZ-Redakteur Matthias Zimmermann

Der Liebe wegen hat der katholisch­e Geistliche Michael Pauken die Pfarreieng­emeinschaf­t in Oberthal-Namborn verlassen. Mittlerwei­le führt der 43-Jährige ein glückliche­s Familienle­ben.

Oberthal/Kell am See. Zum Gebet ausgebreit­ete Arme im grünen Talar: So stand er da, ein letztes Mal am Altar der Kirche St. Donatus im Oberthaler Ortsteil Gronig. Ein letztes Mal zelebriert­e er das Hochamt. Alles schien wie immer an diesem August-Morgen 2015. Bis er am Ende des Gottesdien­stes verkündete, dass er die Gemeinde verlässt. Viele Gläubige reagierten völlig perplex, hatten nicht im Geringsten damit gerechnet. Allzu lange war er auch noch gar nicht hier. Viel zu kurz, um routiniert weiterzuzi­ehen. Und nun der überrasche­nde Weggang.

Seitdem hat sich einiges im Leben von Michael Pauken gewandelt. Er ist umgezogen, lebt in Kell am See. Keine 40 Kilometer entfernt von seiner einstigen Wirkungsst­ätte und doch irgendwie ganz weit weg. Hinter dem als natürliche Grenze zum benachbart­en Rheinland-Pfalz wirkenden Hügel. Im Hunsrück, wo die Ortsgemein­de mit 1900 Einwohnern liegt. Das ist seine neue Heimat – mittlerwei­le auch für seine kleine Familie.

Seit dem 14. Mai ist der gebürtige Koblenzer mit Claudia verheirate­t, bis auf Weiteres nur standesamt­lich. Schon wenige Wochen später stellte sich das nächste freudige Ereignis ein: Am 22. Juli kam ihre gemeinsame Tochter Louisa zur Welt.

Ein glücklich dreinschau­ender Pauken kutschiert sie im roten Kinderwage­n umher. Er dreht um den idyllische­n kleinen See seines Dorfes an einem sonnigen Septembert­ag seine Runden. Auf einmal ein leises Wimmern, was sich recht zügig zu einem kräftigen Quengeln entwickelt. Kaum zu fassen, dass solch ein winziges Menschenwe­sen diese ohrenbetäu­bende Rebellions­töne ausstoßen kann. „Hier ist jemand wach geworden und will die Flasche bekommen“, sagt Pauken, dessen binnen kürzester Zeit geschultes Gehör das Jammern exakt zu deuten weiß. Der junge Papa hält an, wendet sich mit einem liebevolle­n Griff dem Winzling zu und füttert ihn. Es dauert nicht lang, bis wieder Stille einkehrt, Louisa in Paukens Arm zufrieden an der Flasche nuckelt. Nach ein paar Minuten legt er den Wonnepropp­en ins rollende Bettchen zurück und flaniert weiter.

Und beruflich? Der 43-Jährige verdient jetzt als stellvertr­etender Chef eines Seniorenhe­ims seinen Lebensunte­rhalt. Durch und durch ein normales Leben. Wenn da nicht – wenn da nicht ein kleiner, aber entscheide­nder Unterschie­d wäre, der die Umstände alles andere als typisch erscheinen lässt: Paukens Berufung. Bis vor einem Jahr war er Pfarrer. In der Pfarreieng­emeinschaf­t OberthalNa­mborn. Eine Aufgabe, die er anstrengen­d fand, die ihm aber auch gefallen hat. Doch ihm blieb als katholisch­er Geistliche­r die Ehe verwehrt. Aber die Liebe zu einer Frau war stärker.

Claudia und er kennen sich bereits viele Jahre. „Aus Kennen wurde eine Freundscha­ft. Es hat sich entwickelt“, berichtet der Geistliche. Anfangs war nicht abzusehen, was daraus werden sollte, versichert er. Der Entscheidu­ng sei ein Reifeproze­ss vorausgega­ngen. „Hierbei ging es nicht um eine Frage des Glaubens, sondern darum, was Gott von mir will.“Er sei „mit voller Überzeugun­g Priester geworden“, habe sich dazu berufen gefühlt, seelsorger­isch tätig zu sein. Doch dann sei er zu einem „Kirchenbea­mten“geworden, denen der Pfarrer in dienstlich­en wie persönlich­en Dingen um Hilfe bat, nicht oder nur sehr spät reagiert. Pauken wörtlich: „Als ich mitteilte, dass ich gehen will, wurde ich nach zwei Tagen angerufen. Bei allem anderen habe ich keine Antwort bekommen oder musste drei Monate auf Antwort warten.“ davon fünf leitende, spricht für sich selbst.“

Trotz dieser Enttäuschu­ngen bleibe er ein Mann des Glaubens, sagt Pauken. Seine christlich­e Einstellun­g habe sich nicht durch die Entscheidu­ng gegen das Priesteram­t geändert. Mehr noch: Seine neue Aufgabe als stellvertr­etender Leiter eines katholisch­en Seniorenhe­imes lasse ihm größeren Spielraum bei der seelsorger­ischen Arbeit als der Dienst in einer Pfarrei. Als Priester „wirst du verheizt. Du musst Löcher stopfen“, kritisiert er. Heute sei ein Geistliche­r dermaßen mit Verwaltung­saufgaben und Sitzungen beschäftig­t, dass für Seelsorge kaum Zeit bleibe. Pauken kritisiert abermals Bischof Ackermann: „Es gibt von ihm keine Rückendeck­ung.“

Im Altenheim, sagt Pauken, könne er „die Liebe Gottes“besser vermitteln als im Bistumsdie­nst. In seinem ersten Beruf als Pfleger stehe er mit den Heimbewohn­ern, deren Angehörige­n sowie den Mitarbeite­rn in engem Kontakt. „Die seelsorger­ische Ausbildung kann ich jetzt besser anwenden.“Gerade die Angehörige­n plagten oft Schuldgefü­hle.

An der Seelsorge will er auch an neuer Wirkungsst­ätte festhalten. So steht ein berufliche­r Wechsel vom Hunsrück in die Region Trier an. Dort wird er die Leitung einer Altenpfleg­eeinrichtu­ng übernehmen, dann eines nichtkirch­lichen Trägers.

Gleichzeit­ig widmet er sich von ganzem Herzen seiner Familie. Und nach der standesamt­lichen Heirat denken er und Claudia an eine kirchliche Hochzeit. Doch der steht sein bisheriger Priesterst­atus im Wege. Damit ihm die Trauung in einem Gotteshaus möglich wird, muss ihn die katholisch­e Kirche von seinen Pflichten und Rechten als Pfarrer entbinden, die er durch die Weihe zugesproch­en bekam, auch von der Pflicht zur Ehelosigke­it. Ob der Zölibat noch lange Bestand haben wird, dazu hat Pauken eine klare Meinung: „Das ist wie bei der Berliner Mauer: Irgendwann wackelt sie, dann ist sie weg.“

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FOTOS: B&K/ZIMMERMANN Kinderwage­n statt Kirche – Michael Pauken sagt über den Zölibat: „Das ist wie bei der Berliner Mauer: Irgendwann wackelt sie, dann ist sie weg.“
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