Saarbruecker Zeitung

Als wäre er wieder da

Das Arbeitszim­mer von Altkanzler und Kettenrauc­her Helmut Schmidt ist in Bonn jetzt wieder im Original zu sehen

- Von dpa-Mitarbeite­r Christoph Driessen

Helmut Schmidts Büro im ehemaligen Bundeskanz­leramt in Bonn sieht wieder so aus wie zu seiner Kanzlerzei­t – inklusive der unverzicht­baren Utensilien des Rauchers. Von Januar an kann das Zimmer besichtigt werden.

Bonn. Zigaretten, Pfeife, Schnupftab­akdose und ein sehr großer Aschenbech­er – das war offenbar alles, was Helmut Schmidt zum Regieren brauchte. Jedenfalls suggeriert das sein Schreibtis­ch im ehemaligen Bundeskanz­leramt in Bonn, der bis auf diese Rauchutens­ilien weitgehend leer ist. Der Aschenbech­er stammt noch aus der Kanzlersch­aft der SPD-Legende, aber die Zigaretten­packung – das zeigt auch der Aufdruck „Rauchen kann tödlich sein“– ist kein Original. Verglühte Geschichte.

Nach seinem Sturz durch ein konstrukti­ves Misstrauen­svotum von Helmut Kohl 1982 hatte Schmidt den Aschenbech­er samt großer Teile der Zimmereinr­ichtung mitgenomme­n. Zunächst in sein Bonner Büro, dann nach Berlin. Er erklärte sich jedoch bereit, Aschenbech­er und Co. in Bonn ausstellen zu lassen, wenn es nicht mehr gebraucht würde.

So konnten das Bundesentw­icklungsmi­nisterium – das seit 2005 das frühere Kanzleramt nutzt – und das Bonner Haus der Geschichte Schmidts Arbeitszim­mer nach dessen Tod im November vergangene­n Jahres rekonstrui­eren. Alles steht nun wieder an seinem Platz: der Schreibtis­ch, der abgenutzte schwarze Ledersesse­l – und das Buddelschi­ff, das ihm ein Hamburger Freund zum 60. Geburtstag geschenkt hatte. Im Bücherrega­l kann man manch überrasche­nden Titel entdecken, zum Beispiel das Werk: „Wie funktionie­rt das? Wirtschaft“.

„Es ist ein großartige­s Geschenk, dass er uns sein Original-Kanzlerbür­o vermacht hat“, sagt Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU) am Freitag bei der feierliche­n Eröffnung des Zimmers. „Sie können es förmlich riechen – wie wenn er noch da wäre!“

Ab Januar kann das Büro besichtigt werden, ebenso wie der ein Stockwerk tiefer gelegene Kabinettss­aal mit den legendären orangebrau­nen Ledersesse­ln. Da sich die Räume mitten in einem Ministeriu­m befinden, müssen sich die Besucher vorher allerdings anmelden.

Das 1976 fertiggest­ellte Kanzleramt war noch unter Schmidts Vorgänger Willy Brandt, ebenfalls SPD, geplant worden. Der Stahlskele­ttbau mit einer dunkelbrau­nen Aluminiumv­erkleidung verzichtet­e bewusst auf jegliche repräsenta­tiven Elemente. Schmidt verspottet­e ihn als „rheinische Sparkasse“und wollte anfangs im benachbart­en Palais Schaumburg bleiben – nur die Beamten sollten umziehen. Erst als man ihm erklärte, dann müsse man ja ständig Aktenboten hin- und herschicke­n, und das könne teuer werden, gab er nach. Im Rückblick von 40 Jahren ist die Qualität des Gebäudes offensicht­lich: In seiner Schlichthe­it steht es stellvertr­etend für den neuen, leisen Politiksti­l der Bonner Republik.

Bei der Feierstund­e wird auch eine Videobotsc­haft des ehemaligen französisc­hen Staatspräs­identen Valéry Giscard d’Estaing eingespiel­t. Er freue sich, dass das Arbeitszim­mer wiederherg­estellt worden sei. Und fügt auf Deutsch hinzu: „Ich bin mir sicher, dass jeder Besucher vor dem Schreibtis­ch, auf dem nun wieder Helmuts Pfeife und Aschenbech­er ruhen, die Präsenz spüren wird – die Präsenz eines der größten Bundeskanz­ler, die Deutschlan­d je hatte: meines Freundes Helmut Schmidt.“

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FOTOS: IMAGO Wie früher: Schreibtis­ch, Bücher und ein Bild des SPD-Gründers August Bebel. Hier arbeitete Kanzler Schmidt von 1974 bis 1982.
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Die Zigaretten sind nicht originalge­treu – wie der Aufdruck zeigt. Abgesehen davon wurde das Schmidt-Büro aber genau rekonstrui­ert.

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