Shopping-Paradies vor Bergkulisse
Das winzige Land Andorra lockt nicht nur mit einzigartiger Natur – Dank der niedrigen Mehrwertsteuer lohnt sich auch eine Einkaufstour
Das Fürstentum Andorra liegt zwischen Frankreich und Spanien, eingebettet in die Bergwelt der Pyrenäen. Die Naturkulisse lockt viele Besucher. Doch nicht nur Wanderer und Skifahrer kommen hier auf ihre Kosten. Andorra lockt auch viele Gäste zur Einkaufstour.
Andorra la Vella. Von Toulouse, der rosaroten Stadt an der Garonne, bleibt nicht viel mehr als eine Erinnerung. Auf der Höhe von Pamiers, wo flache Ebenen mit sanften Hügeln wechseln und Felder, Wiesen, Waldflecken eine breite Farbpalette zwischen Gelb und Dunkelgrün ausfüllen, dann ein Schild: „Andorre“. Noch 127 Kilometer. Am Horizont kündigt schon eine Weile lang eine dunkle Silhouette die Berge der Pyrenäen an – als diesige Schemen, die mit dem Näherkommen immer greifbarer werden.
Kleinod im Gebirge Aus flachem Land werden bewaldete Höhen und schließlich schroffe Felsen, die den Lauf der Straße begleiten und die endgültige Präsenz der Berge besiegeln. Immer wieder ändert das Landschaftspanorama seinen Charakter, bevor Andorra erreicht ist. Gibt sich mal abweisend, mal sanfter, zeigt uns saftige Wiesen wie raue, narbige Hänge, von deren Gipfeln sich Bäche in die Tiefe stürzen.
Mit Überschreiten der Grenze wird bald klar, womit das Fürstentum sein Geld verdient. Hotelanlagen folgen dem Asphalt, Skilifte hinterlassen ihre Spur in der Landschaft und offenbaren die Bedeutung des Tourismus für das nur 468 Quadratkilometer große Land – eine bergige Fläche, geformt aus Tälern und Gipfeln, von der nicht einmal zehn Prozent besiedelt und kultiviert ist. Der Rest besteht aus Natur, die für Wintersportler und Wanderer gleichermaßen attraktiv ist.
Viele Touristen kommen als Tagesgäste in den Pyrenäenstaat, dessen Hauptstadt Andorra la Vella das Bild eines blühenden Handels und Finanzwesens entwirft. In seiner Haupteinkaufsstraße, der Avinguda Meritxell, ist alles auf Konsum ausgerichtet. Da folgt ein Geschäft aufs nächste, aus deren offenen Türen verkaufsförderndes Gedudel schallt und sich unter das meist katalanische, spanische und französische Stimmengewirr der Passanten mischt.
In den Schaufenstern locken dagegen Luxusgüter mit optischen Reizen: Lederwaren, Kosmetika, Kleidung, Schmuck, die dank der niedrigen Mehrwertsteuer mit nur vier Prozent und Zollfreiheit zu guten Preisen zu haben sind. Im Vergleich dazu beträgt die Mehrwertsteuer der europäischen Nachbarländer Frankreich und Spanien jeweils 20 und 21 Prozent.
Die Avinguda Meritxell endet an der Plaça Rebés, von wo sich das historische Zentrum mit den Vierteln Cap del Carrer, El Pui, Puial und Barri Antic ausbreitet. Isoliert vom großen Rest der Hauptstadt, der seit den 1950er Jahren mit dem Aufkommen des Tourismus aus dem Nichts entstand und sich innerhalb kürzester Zeit in die Moderne katapultierte, bewahrten diese ihre Persönlichkeit mit engen Straßen, schmalen Gassen und kleinen Plätzen. Besonders reizvoll erscheint die stille Welt von El Pui und Barri Antic, in der man außer einem Briefmarken- und Antiquitätenhändler kaum Geschäfte und in Sachen Architektur allerdings nur noch wenig Altes entdeckt.
Land mit zwei Oberhäuptern Die Natursteinfassaden der Häuser und die seltenen Gärten platzieren sich an steilen Gassen und umrahmen die Hauptattraktion des Stadtkerns: die Casa de la Vall. In dem 1580 errichteten Herrenhaus tagte seit 1702 der Generalrat, das Parlament Andorras, das, nebenbei bemerkt, mit dem französischen Präsidenten und dem Bischof von Urgell gleich zwei Staatsoberhäupter hat. 2011 wechselte der Sitz des Generalrates dann in den Neubau nebenan, vor dessen Tür sich die leere Fläche eines großen Platzes erstreckt. Von hier genießen Besucher einen grandiosen Blick auf die Bergriesen, die Andorra la Vella umarmen. Und von hier kommen Touristen über den historischen Straßenzug der Carrer de la Vall zur Kirche Sant Esteve, hinter der das Einkaufsparadies mit seiner Flut an Läden zur Shopping-Tour verführt.