Die Kunst der Integration
Wie es Künstler aus Syrien und Limbach nach Berlin verschlug
Wer über Kulturen hinweg zusammenarbeitet, kann viel erreichen. Das zeigt eine Ausstellung in Berlin, die Künstler aus dem Saarland präsentiert, die teilweise aus sehr verschiedenen Teilen der Erde kommen. Zur Ausstellungseröffnung fuhr die SZ mit ihnen nach Berlin.
Berlin. Mit einer Alberei hat das Ganze angefangen. Zumindest erzählt die Bildhauerin Astrid Hilt das heute so. Als die geflüchtete Reham Abo Al-Nojoom, die in ihrer syrischen Heimat Kunst studierte, vor rund einem Jahr zu ihr in die Werkstatt kam, machten sie Witze darüber, wo sie überall ihre Kunst ausstellen wollten. Zuerst im Saarland, klar. Vielleicht in Luxemburg und Metz. Und schließlich weit weg – in Paris, Berlin und oder New York. Auch wenn die beiden Künstlerinnen Luxemburg und Metz auf ihrem Weg übersprungen haben, Berlin können sie nun schon einmal auf ihrer Liste abhaken.
Dort wurde vor wenigen Tagen die Ausstellung „Dialog der Kulturen“in der Vertretung des Saarlandes beim Bund eröffnet. Unterstützt von der Arbeitskammer Saar und der IG Metall, wurde die Ausstellung vorher bereits in Kirkel, Ottweiler und Saarbrücken gezeigt. Nun haben die deutschen und syrischen Künstler unter der Schirmherrschaft von Bundesjustizminister Heiko Maas den Sprung in die deutsche Hauptstadt geschafft.
Gezeigt wurden eine Vielzahl von Gemälden, Porträtfotos und Skulpturen aus Stein und Holz, bis Ende November gastiert die Ausstellung noch im IG-Metall Bildungszentrum in Berlin.
Doch hinter der Ausstellung steht viel mehr als eine Reihe begabter Künstler und Künstlerinnen. Hinter dem Projekt steht eine Geschichte geglücker Integration. Rund 40 Menschen starteten aus Limbach nach Berlin, Einheimische aus Limbach und syrische Flüchtlinge. Und obwohl sie sich noch vor einem anderthalben Jahr nicht fremder hätten sein können, nun wirken sie fast wie eine große Familie. Und wahrscheinlich wären ohne die engagierten Helfer aus Limbach heute auch keine Gemälde an den Wänden in Berlin. Was daraus entstand, den Flüchtlingen direkt nach dem Ankommen Hilfestellung beim Leben in Deutschland zu leisten, ist für die Beteiligten längst ins alltägliche Leben übergangen. Astrid Hilt erzählt freudig vom gemeinsamen Feiern an Silvester. Sogar Liebesbeziehungen haben sich aus der
Reham Abo Al-Nojoom zeigt Kultusminister Ulrich Commerçon bei der Eröffnung eines ihrer Bilder.
Flüchtlingshelfer vor Ort fotografiert und gefragt, wieso sie ihnen überhaupt helfen. Die Antworten waren vielfältig, von der simplen Nächstenliebe bis zur schieren Alternativlosigkeit, weil kein Weg daran vorbeiführe.
Wie schwierig es wirklich sein muss, aus seiner Heimat in ein weit entferntes Land zu flüchten, wird bei einer Berliner Stadtrundfahrt der Limbacher Gruppe deutlich. An der sogenannten East Side Gallery, einem Teilstück der Berliner Mauer in Berlin-Friedrichshain, sind Fotos aus syrischen Städten ausgestellt. Oder eher davon, was noch von den Städten übrig ist. Der Krieg hat die einstigen Metropolen in Trümmerberge verwandelt. Der 24jährige Pescheng Ali zeigt auf ein Bild der völlig zerstörten Stadt Kobane. „In diesem Block hat früher meine Tante gelebt. Das ist schlimm, früher hatte man dort Freunde und Verwandte, ist selbst dort vorbeigelaufen, und heute ist alles nur noch Schutt und Asche“. Nach vier Monaten auf der Flucht, wurde auch er letztes Jahr im Saarland aufgenommen und integriert.
Und das Projekt aus Limbach zeigt, dass Integration eben keine Einbahnstraße sein muss. Wo zwei Kulturen aufeinander treffen, können beide etwas voneinander lernen. Denn zwar lernen die syrischen Flüchtlinge allesamt Deutsch, doch auch einige der Limbacher sind bemüht, die arabische Sprache zu lernen.
Und eben auch die Kultur. Man betrachte nur einmal den Chor, der die Ausstellungs-Eröffnung in der Landesvertretung musikalisch begleitete. Gegründet wurde er im letzten Herbst unter der Leitung von Osama Fathy. Er selbst stammt aus Ägypten, ist Musiklehrer. Ursprünglich wurde er nur zum Dolmetschen herangezogen, doch er wollte mehr tun für die Flüchtlinge. „Wir wollten einfach was Gemeinsames machen, etwas was Freude macht“, sagt er. Auch deshalb heiße das Gesangsensemble „Chor an die Freude“.
Ziemlich schnell stießen dann auch deutsche Einwohner aus Limbach dazu. Nun singen sie gemeinsam sowohl deutsche, als auch arabische Lieder.