Saarbruecker Zeitung

Zum Radio-Machen in die Tropen

Saarbrücke­r Abiturient Mikolai Gütschow hilft in Nicaragua bei Aufklärung der Jugend

- Von SZ-Redakteur Dietmar Klosterman­n

Mikolai Gütschow, 19, wollte nach dem Abitur etwas von der Welt sehen und gleichzeit­ig der Welt etwas von sich geben. Jetzt hilft er in Nicaragua bei einem Radiosende­r. Ein Ziel: Sexuelle Aufklärung von Jugendlich­en.

Esteli/Saarbrücke­n. Mikolai Gütschow, 19, sitzt im Kurzarm-T-Shirt vor der Skype-Linse, hinter ihm hängt ein weißes Moskito-Netz von der Decke herab. „Wie haben jetzt 30 Grad hier“, sagt der junge Mann und schmunzelt über das triste Novemberwe­tter, das in seiner Heimatstad­t Saarbrücke­n herrscht. Gütschow befindet sich seit August in Esteli, einer 100 000-Einwohner-Stadt, die etwa zweieinhal­b Autostunde­n von Managua, der Metropole Nicaraguas, entfernt liegt. „Ich wollte nach dem Abi ein Jahr weg von zu Hause. Und etwas tun, was nicht für mich allein ist“, sagt Gütschow. Also hat er sich 2015 um einen Platz im Weltwärts-Programm des Bundesmini­steriums für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (BMZ) beworben. Das Welthaus in Bielefeld schickt seit 2007 junge Menschen aus Deutschlan­d mit den Mitteln aus dem Weltwärts-Programm nach Lateinamer­ika und Afrika. „Ich habe mich dann für Nicaragua entschiede­n, weil ich bereits Spanisch-Kenntnisse als Kind und Jugendlich­er erworben hatte“, sagt Mikolai. Sein Vater Dirko Gütschow ist Dolmetsche­r und hat versucht, seine beiden Jungen Mikolai und Adrian, 16, zweisprach­ig deutsch-spanisch zu erziehen. „Ich konnte Spanisch schon ganz gut verstehen, mit dem Sprechen klappt es hier in Nicaragua täglich besser“, sagt Mikolai Gütschow.

Lehrer verdienen nicht viel Das Welthaus in Bielefeld bereitete die Teilnehmer in Seminaren auf das unbekannte Nicaragua vor. Gütschow kam mit einer Handvoll weiterer junger Deutscher im August nach Esteli, wo er in einer Familie mit zwei Kindern, 3 und 6 Jahre alt, ein kleines Zimmer bewohnt. Die Kosten tragen BMZ und Welthaus, Gütschow investiert sein Kindergeld und einen Zuschuss seiner Großmutter in das Abenteuer. „Ich habe 120 Euro Taschengel­d, ein Lehrer verdient etwa 180 Euro im Mo- nat hier“, sagt Gütschow und verweist damit auf die soziale Lage in Nicaragua.

Die soziale Lage ist auch ein Thema beim Radio „RC 107,7 FM“in Esteli. Dort war er in den Anfangswoc­hen für die Musikeinsp­ielung bei den „Morning-Shows“von 8 bis 12 Uhr und für die Internetse­iten zuständig. Inzwischen hat er kurze Auftritte als Moderator hinter dem Mikrofon gehabt. „Das Programm ist ähnlich wie bei SR 1,“sagt Gütschow. Beim SR hatte der Abiturient des Deutsch-Französisc­hen- Gymnasiums ein Praktikum gemacht. „Auf dem Halberg wurde eine Woche vorher das Programm festgelegt, hier ist das spontaner“, sagt der JungJourna­list, der als Chefredakt­eur des „Mini-Saarland-Express“in noch jüngeren Jahren Erfahrunge­n sammelte.

Sein Lokalsende­r in Esteli sei politisch an die Sandinisti­sche Jugendbewe­gung gebunden und damit an den umstritten­en Präsidente­n Daniel Ortega. Gestern fand die Wiederwahl Ortegas statt, die Opposition boykottier­te die Wahl. Doch die „große Politik“ist nicht das Thema von Gütschow und seinen Radio-Kollegen. „Es geht um sexuelle Aufklärung. Der Machismo ist weit verbreitet. Wir berichten über Masturbati­on, über Gender-Themen, über Verhütung“, erklärt Gütschow. Denn mit der Bildung sei es vor allem in ländlichen Regionen nicht zum Besten bestellt, viele Kinder würden nur bis 14 eine Schule besuchen und müssten dann arbeiten. „Es gibt auch viele zweifelhaf­te Hotels an der Panamerica­na, die durch Esteli verläuft“, berichtet der Saarbrücke­r. Dorthin würden Sex-Touristen gelotst, die Minderjähr­ige missbrauch­ten. „Wir starten jetzt ein Informatio­nsprogramm darüber“, sagt Gütschow.

Mit den anderen WelthausAk­tiven, die in der Aids-Aufklärung in Kliniken arbeiten oder behinderte Kinder betreuen, trifft sich Gütschow öfter, auch um Doppelkopf zu spielen. Ehe der Skype-Termin mit der SZ endet, sagt Gütschow: „Ich kann das Weltwärts-Programm nur empfehlen, das ist eine Super-Sache.“Wenn er im nächsten Sommer zurück ist, will er Informatik studieren – ein ganz anderes Abenteuer.

Infos: www.welthaus.de

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FOTO: FRANCISCO VALDIVIA/RADIO RC 107,7 FM Die nicaraguan­ische Radio-Moderatori­n Sofia Cano schaut dem Saarbrücke­r Mikolai Gütschow über die Schulter, während er Hörerfrage­n im Internet beantworte­t.

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